Dadaab/Addis Abeba - Die extreme Dürre in Somalia hat nach Angaben der Vereinten Nationen die größte humanitäre Katastrophe der Welt verursacht. Hunderttausende Menschen sind wegen Nahrungsmittelknappheit in den vergangenen Wochen bereits nach Kenia und Äthiopien geflohen und ein Ende der Notlage ist nicht in Sicht. "Was ich hier gesehen habe, ist mit nichts zu vergleichen", sagte Antonio Guterres, Chef des Flüchtlingshochkommissariats der UN (UNHCR). Der ehemalige portugiesische Ministerpräsident hatte das Flüchtlingslager Dadaab in Kenia besucht, wo derzeit 380.000 Menschen untergebracht sind.
Eine wachsende Zahl von unterernährten Kindern stirbt auf dem oft wochenlangen Fußmarsch in das Flüchtlingslager, erklärte Guterres. Die Flüchtlinge seien die Ärmsten der Armen und die am meisten gefährdeten Menschen der Welt. "Ich habe viele Flüchtlingslager in der ganzen Welt gesehen, aber noch niemals Neuankömmlinge in einer derart verzweifelten Lage", sagte Guterres beim Besuch des Lagers.
Wochenlang durch die Wüste
Um das Flüchtlingslager zu erreichen, müssen die Menschen nach der Grenzüberschreitung in Kenia noch 80 Kilometer Wüste durchqueren. Flüchtlinge berichten davon, dass dabei bereits Kinder von Hyänen und Löwen aufgefressen wurden. Die 35-jährige Muslima Adan Hassan etwa verlor zwei Söhne und eine Tochter auf ihrer Flucht, die 35 Tage dauerte. Ein UN-Ernährungsspezialist berichtete, dass viele der unterernährten Kinder trotz Behandlung innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Ankunft sterben, weil sie sich in einem so schlechten Zustand befänden.
Dadaab war ursprünglich für 90.000 Menschen gebaut worden. Mit rund 380.000 Flüchtlingen ist es heute das größte Camp der Welt. Aber jede Woche strömen weitere 10.000 Menschen zur Registrierung, und die Zahl der völlig auf Hilfe von außen angewiesenen Flüchtlinge könnte sich bald auf 500.000 erhöhen. In den drei Camps im äthiopischen Dolo Ado ist die Situation kaum besser.
Internationale Hilfsorganisationen konnten bislang innerhalb von Somalia nur bedingt Hilfe leisten, weil sie von den dort herrschenden islamistischen Rebellen zum Teil als Feinde betrachtet wurden. Erst vergangene Woche vollzogen die Rebellen angesichts der verzweifelten Lage eine Kehrtwende und hießen Hilfsorganisationen willkommen.
Schwerste Dürre seit 60 Jahren
Am schlimmsten von der Dürre betroffen ist die Grenzregion zwischen den drei Ländern. Nach Schätzungen des Welternährungsprogramms (WFP) brauchen zwölf Millionen Menschen in der Region dringend humanitäre Hilfe. Guterres rief die internationale Gemeinschaft zu "massiven Spenden" für die Flüchtlinge auf. "Ich habe eine Mutter gesehen, die (auf der Flucht) drei ihrer Kinder verloren hat", zitierte der arabische TV-Nachrichtensender Al-Jazeera den Hochkommissar. In Dadaab hätten "die Ärmsten der Armen und die Verwundbarsten der Verwundbaren" Zuflucht gesucht. Zwei Millionen Kinder leiden nach Angaben des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF an Unterernährung. Jeden Morgen erreichten Hunderte Flüchtlinge - größtenteils Mütter mit Kleinkindern - die Camps in Kenia und Äthiopien. Die Dürre am Horn von Afrika gilt als die schwerste der vergangenen 60 Jahre. (APA)