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Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Sarajevo - Rund 30.000 Menschen haben am heutigen Montag bei drückender Hitze der alljährlichen Gedenkfeier für die Srebrenica-Opfer im naheliegenden Potocari beigewohnt. Der Vorsitzende des Gedenkfeier-Organisationsausschusses, Camil Durakovic, betonte die Festnahme des als Hauptverantwortlichen für den Völkermord angesehenen bosnisch-serbischen General Ratko Mladic. Der heurige Jahrestag sei „um eine Nuance leichter" als die früheren, sagte Durakovic. 613 im abgelaufenen Jahr identifizierte Massaker-Opfer wurden am Montag beigesetzt. Das jüngste war im Juli 1995 erst elf Jahre alt, das älteste 82.

Der internationale Bosnien-Beauftragte Valentin Inzko wandte sich in seiner Rede gegen eine Relativierung des Völkermordes in der ostbosnischen Stadt. "Nichts kann auf Völkermord aufgebaut werden", sagte er. Es gebe diejenigen, die behaupten, dass Mörder nicht Mörder, Opfer nicht Opfer und die Toten nicht die Toten seien. Solche Behauptungen könnten der Wahrheit nicht stand halten, „die auch bei jenen die Oberhand gewinnen werden, die sich hartnäckig vor ihr verbergen". Die Gerechtigkeit sei langsam, aber irgendwann komme sie, sagte Inzko mit Blick auf die Verhaftung und Auslieferung von Ratko Mladic an das Haager UNO-Tribunal.

Lernen aus der Geschichte

Der kroatische Präsident Ivo Josipovic sagte, dass in Srebrenica eines Verbrechens gedacht werde, „von dem Europa gedacht habe, dass es nie mehr auf seinem Boden passieren könne". Das Massaker von Srebrenica habe „unsere Generation auf die schwerste Weise gekennzeichnet". Es sei die Aufgabe dieser Generation, sicherzustellen, das sich das Leiden wie jenes von Srebrenica nie mehr wiederhole, sagte der kroatische Staatschef.

Als ein „dunkler Fleck am Antlitz der internationalen Staatengemeinschaft und ein schwarzes Loch am Gewissen der Auftraggeber und der Vollstrecker", wurde Srebrenica von Bakir Izetbegovic, dem bosniakischen Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums, beschrieben. Diejenigen, die den Völkermord bestreiten oder ihn zu minimalisieren suchten, würden etwas bestreiten, was nicht bestreitbar sei. Sie untergrüben damit den Weg zur Gerechtigkeit und zu Versöhnung, warnte der US-Botschafter in Sarajevo, Patric Moon.

Potocari sei womöglich der traurigste Ort Europas nach dem Zweiten Weltkrieg, sagte der bosnische Innenministe Sadik Ahmetovic. Ein jedes der drei Staatsvölker müsse die Kraft für die Katharsis aufbringen, meinte Ahmetovic, selbst ein Überlebender des Srebrenica-Massakers. Im Namen des serbischen Volkes sei ein schreckliches Verbrechen angerichtet worden, das serbische Volk müsse sich mit dieser Tatsache auseinandersetzen.

6.598 Massaker-Opfer identifiziert

Auf dem Friedhof von Potocari haben nach dem heutigen Begräbnis insgesamt 5.137 Srebrenica-Opfer ihre letzte Ruhe gefunden. Die Internationale Kommission für vermisste Personen (ICMP) hat bisher 6.598 Massaker-Opfer identifiziert, nach rund 1.500 wird nach Angaben der Kommission noch gesucht.

Der heutige Montag wurde wie in den Jahren zuvor zum Trauertag in dem größeren bosnischen Landesteil, der Bosniakisch-Kroatischen Föderation, und im Kanton Brcko im Norden des Landes erklärt. In der Serbischen Republik ist der Srebrenica-Gedenktag ein normaler Arbeitstag. Der bosnisch-serbische Präsident Milorad Dodik ließ sich bei der Gedenkfeier in Potocari durch einen Sonderemissär vertreten. Srebrenica und Potocari liegen seit Ende des Krieges auf dem Territorium der bosnischen Serbenrepublik.

In der bosnisch-serbischen Hauptstadt Banja Luka waren am Montag gar Plakate mit Glückwünschen zum „Tag der Befreiung des serbischen Srebrenica" aufgetaucht. In Doboj, einer bosnisch-serbischen Kleinstadt, wurde laut Medienberichten für Nachmittag eine Kundgebung im Zeichen der Solidarität mit dem Haager Angeklagten Mladic einberufen.

Nach der Einnahme der damaligen UNO-Schutzzone Srebrenica durch bosnisch-serbische Truppen am 11. Juli 1995 wurden vor den Augen niederländischer Blauhelme rund 8.000 Männer ausgesondert und anschließend ermordet. Seit 2009 wird der Jahrestag des Massakers auch EU-weit gedacht. Das Europaparlament hatte im Jänner 2009 einen entsprechenden Beschluss gefasst. Serbien hatte im Vorjahr das Massaker durch eine parlamentarische Deklaration verurteilt, sich dem Gedenktag allerdings nicht angeschlossen. (APA)