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Die Abgabenlast auf dem Faktor Arbeit sei in Österreich zu hoch, die Vermögensteuern dagegen viel zu niedrig, kritisierte OECD-Generalsekretär Ángel Gurría am Montag in Wien.

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Wien - In Österreich sind trotz der jüngsten Korrekturen hohe öffentliche Schulden außerhalb der offiziellen Budgets vorhanden. Wie aus dem Länderbericht der Industriestaatenorganisation OECD zu Österreich hervorgeht, haben allein die Infrastrukturbetriebe der Gemeinden 12,6 Milliarden an Verbindlichkeiten angehäuft. Rechnet man auch noch das Obligo von Bahn, Asfinag oder Bundesimmobiliengesellschaft hinzu, erreichen diese Verbindlichkeiten 43 Milliarden Euro.

Zwar lobte die OECD die gute wirtschaftliche Verfassung des Landes, allerdings kritisierte sie den Defizitabbau als nicht ambitioniert. Die alterungsbedingten Kosten machten einen rascheren Schuldenabbau notwendig. Die Organisation sieht großes Einsparungspotenzial bei den Pensionen, in der Gesundheit und bei Subventionen - insbesondere der Wohnbauförderung. Zudem fordert sie einen Plan zur Stärkung der Banken, die bis zu 18 Milliarden Euro Eigenkapital benötigten.

Die zuletzt von der rot-schwarzen steirischen Koalition ausgearbeiteten Pläne, Gemeinden und Bezirke zusammenzulegen, stoßen jetzt auf Kritik. Hans Freiler von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) sagte dem Standard, dass Zusammenlegungen kaum Einsparungspotenzial hätten, wenn nicht die Aufgaben reduziert würden.

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Auf den ersten Blick sieht alles glänzend aus. Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich mit 4,3 Prozent extrem niedrig, die Verschuldung im europäischen Vergleich mit rund 74 Prozent der Wirtschaftsleistung moderat. Die Menschen im Land werden statistisch gesehen immer älter. Allerdings, wer genauer hinsieht findet natürlich das buchstäbliche Haar in der Suppe. So auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die am Montag ihren neuesten Länderbericht zur Österreich vorlegte.

Die OECD mahnt dabei zahlreiche Reformen ein und warnt vor fatalen Fehlentwicklungen:

Pensionen Laut den Pariser Experten ist das Pensionsantrittsalter in Österreich eines der niedrigsten unter allen 34 OECD-Mitgliedsländern. Männer verlassen den Arbeitsmarkt durchschnittlich im Alter von 59 Jahren, Frauen mit 57. Nur in Luxemburg finden Pensionierungen noch früher statt. Ohne Reformen und allein unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung werden die Pensionsausgaben in Österreich von derzeit 13,6 Prozent der Wirtschaftsleistung bis 2060 um weitere neun Prozent ansteigen. Damit wären die Pensionsausgaben Österreichs die höchsten im europäischen Vergleich. Freilich rechnet das Finanzministerium mit einem moderateren Anstieg der Pensionsausgaben. Bis 2050 sollen sie demnach auf nur 14,7 Prozent der Wirtschaftsleistung ansteigen. Allerdings warnt die OECD, dass dieser Berechnung zu optimistische Annahmen zu Grunde liegen, insbesondere jene, wonach Durchschnittsgehälter schneller steigen werden als Durchschnittspensionen. In den vergangenen Jahren sei aber genau das Gegenteil beobachtbar gewesen, so die OECD.

Gesundheit Die OECD kritisiert vor allem die massive Fragmentierung des Systems, also die Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen. Das System sei fragmentiert, teuer und zu stark darauf ausgerichtet Patienten in Krankenhäusern zu behandeln, heißt es im Länderbericht. So habe Österreich hinter Japan und Südkorea die höchste Zahl an Krankenhausbetten pro Kopf. Auf Wettbewerb im Gesundheitssektor und Kostendisziplin würde wenig wert gelegt werden, weshalb Österreichs Gesundheitsausgaben zu den am stärksten steigenden im OECD-Raum zählen würden.

Zudem wird das Geld offenbar nicht immer effizient genutzt. In Frankreich, Australien, Italien und Japan sind die Gesundheitsausgaben pro Kopf niedriger, die Lebenswerwartung aber höher. Und: Die OECD findet, Österreich legt zu wenig Wert auf Prävention, insbesondere was Rauchen, Alkoholkonsum und Ernährung betrifft. Die 15-jährigen Österreicher tendieren im OECD-Schnitt etwa stärker zu Übergewicht und rauchen auch öfters. Die OECD fordert daher vom Gesundheitsministerium die Schaffung von konkreten Zielsetzungen, etwa um wie viel die Zahl der Raucher zurückgehen sollte.

Steuern Die Abgabenlast auf Arbeitseinkommen und unternehmerische Tätigkeit sei im internationalen Vergleich zu hoch, konstatierte OECD-Generalsekretär Ángel Gurría bei der Vorstellung des Länderberichtes am Montag in Wien. Die OECD berechnet die Abgabenlast aus der Summe der Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers und Arbeitgebers sowie der Steuerbelastung auf das Monatseinkommen. Nach dieser Berechnung zählt Österreich tatsächlich zu den Staaten mit der höchsten Abgabenlast.

Im Gegenzug zu einer Entlastung des Faktors Arbeit sollten Vermögen stärker besteuert werden, forderte Gurría. Derzeit liege die Vermögensbesteuerung in Österreich weit unter dem OECD-Schnitt, nur in Tschechien ist sie noch niedriger. Die Bewertungen von Immobilien sollten an den Marktwert angepasst werden, eine Wiedereinführung von Erbschafts- und Vermögenssteuer sollte in Betracht gezogen werden.

Finanzen Die OECD erachtet den Konsolidierungskurs der Republik als unausreichend. Insbesondere versteht die Organisation nicht, dass sich der Bund einen Sparkurs auferlegt, die Länder aber trotz Stabilitätspaktes kaum Beiträge leisten müssen. Zudem verweist sie auf zahlreiche im Budget nicht ausgewiesene Posten. So kommen zu den Schulden der Gemeinden noch 12,6 Milliarden Euro Verbindlichkeiten der Infrastrukturbetriebe der Kommunen hinzu. Zudem rechnet die OECD damit, dass die Schulden der Bundesimmobiliengesellschaft BIG in Höhe von drei Milliarden Euro nach Abschluss der Diskussionen in der EU-Statistikbehörde Eurostat dem Sektor Staat zugerechnet werden. Bei der Bahn ist dieser Schritt bei der Infrastrukturfinanzierung bereits erfolgt. (as, szi, DER STANDARD, Printausgabe, 12.7.2011)