Wien - Wer sich durch die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Rachat Alijew eine rasche Aufklärung der Mord- und Entführungsvorwürfe erwartet, liegt falsch. Denn solange der frühere Botschafter Kasachstans in Österreich im Ausland untergetaucht bleibt, kann weder Anklage gegen ihn erhoben noch eine Hauptverhandlung durchgeführt werden. "Ein Beschuldigter muss sich zu erhobenen Vorwürfen äußern können. In Österreich ist bei einem Kapitalverbrechen eine Verurteilung in Abwesenheit nicht möglich, selbst wenn der Sachverhalt aufgeklärt ist", hieß es am Dienstag in der Staatsanwaltschaft Wien.

Wie berichtet, hat Österreich nach zwei abschlägigen Auslieferungsanträgen aus Kasachstan, wo Alijew wegen Entführung und Ermordung zweier Bankmanager in Abwesenheit zu einer langen Haftstrafe verurteilt wurde, überraschend ein eigenes Verfahren eröffnet - und zwar in "stellvertretender Strafrechtspflege", wie es im Juristendeutsch heißt.

Nicht mit Statuten Interpols vereinbar

Von heimischen Behörden ist Alijew, der sich selbst als Opfer einer politischen Intrige seines Ex-Schwiegervaters Nursultan Nasarbajew, des Präsidenten Kasachstans, sieht, allerdings nicht zur Fahndung ausgeschrieben. Auch Interpol hat den internationalen Haftbefehl zurückgezogen, weil der kasachischen Begründung kein faires Verfahren zugrunde liege. Eine Verurteilung in Abwesenheit sei mit den Statuten Interpols nicht vereinbar.

Alijews Anwälte haben - noch vor dem neuen Verfahren in Österreich - betont, dass ihr Mandant jederzeit für eine Befragung zur Verfügung stehe. Zumindest im Rahmen einer Videokonferenzschaltung, denn Alijews Aufenthaltsort wird geheimgehalten. Möglicherweise hält er sich unter dem Namen Shoraz in Malta auf. Eine inzwischen von den kasachischen Behörden konfiszierte Ausgabe der Zeitung Svoboda Slova ("Redefreiheit") berichtete, dass Alijew nach seiner zweiten Heirat den Namen seiner Frau angenommen habe.

Globales Polit-Interesse

Auffällig ist, wie sehr der kasachische Familienstreit um Macht und Geld auch die Politik erobert: In Österreich stellten Abgeordnete parlamentarische Anfragen, die EU-Kommission machte zuletzt massiven Druck wegen der abgelehnten Auslieferung. Und selbst im US-Kongress liefern sich Lobbyisten beider Seiten ein Match, dessen Auslöser die Herald Tribune eine "Blutfehde bis zum Tod" nennt. (Michael Simoner, DER STANDARD; Printausgabe, 13.7.2011)