Ghost Cauldron
Invent Modest Fires
(Soul Seduction)

Foto: Soul Seduction

Das deutsche Duo Ghost Cauldron präsentiert auf seinem Debüt "Invent Modest Fires" Arbeiten, die in der Tradition der elegischen Pop-Zerdehner This Mortal Coil stehen.


Mit dem bedeutungsschwangeren Titel "Fire Walk With Me" eröffnen Ghost Cauldron ihr Debütalbum und definieren damit den Bezugsrahmen für die Tönung der in Folge auf den Hörer zukommenden Klangwelten: glühend rot und unheilvoll schwarz umrahmt. Fire Walk With Me lautete der Untertitel des Kinofilms Twin Peaks des großen Verwirrers und Freunds alltäglicher Abartigkeiten David Lynch. Wie der US-Regisseur frönt auch das deutsche Gespann Ghost Cauldron der überhöhten Geste, die gerade noch nicht Pathos ist, sondern zugunsten narrativer Konfusion oder schlicht ästhetischen Mehrwerts in die Absonderlichkeit abdriftet und stellenweise als barocker Lagerfeuer-Folk für wohltuende Abwechslung sorgt. Oder eben in den hier dominierenden Cinemascope-Pop, der das ganze Album lang immer wieder um ähnliche Grundmotive kreist und so eine beinahe konzeptmäßig anmutende Geschlossenheit erzielt.

Gespenstisch soll das wirken. Immerhin wird hier Gruselmeister Edgar Allen Poe strapaziert, und das Bemühen so zu klingen, als würden in unterirdischen Soundküchen Grandpa Munsters Rezepte neu aufgesetzt und um zeitgenössische Zutaten erweitert, blubbert unzweideutig durch jeden einzelnen Track.

Ghost Cauldron besteht aus DJ Kaos und seinem Skater-Kumpel, dem Produzenten CE.EL. Kaos kennt man von den Berlinern Terranova, die es verstanden haben, HipHop ideenreich zu variieren, ohne in modische Belanglosigkeiten abzudriften. Invent Modest Fires nennt sich ihr Erstling und beschreitet raffiniert Wege, die ihren Ursprung in den 80er-Jahren haben. Man könnte Invent Modest Fires nämlich durchaus als Fortsetzung der Werke von This Mortal Coil bezeichnen. Jene Supergroup des britischen 4 AD-Labels, die sich in veränderter Zusammensetzung immer wieder einfand, um wunderbare Nachtschattengewächse zu produzieren. Und zwar ohne in die Gruftie-Hölle weiß geschminkter Mondgesichter zu tapsen.

Doch wo This Mortal Coil fast durchgängig Langsamkeit zelebrierte und ausgesuchte Coverversionen - von Tim Buckley über Wire bis zu den Talking Heads - schmerzhaft schön zerdehnte, stehen Ghost Cauldron elektronischem Pop näher. In Death Before Disco zitieren sie ausgiebigst New Order zur Zeit des Technique-Albums. Also kurz bevor die elegischen Synthie-Popper Ibiza und die schluckbare Ekstase entdeckten. Der Rest sind hoch aufgetürmte Beats, prominente Gäste wie Priest vom dahingegangenen New Yorker HipHop-Outfit Anti Pop Consortium, großflächige Streicher und die Themen vorgebenden Keyboards, die einen der gefälligsten Pop-Entwürfe seit langem wesentlich charakterisieren.

Ohne gefallsüchtig zu sein. Da ist Edgar Allen außen vor - und natürlich die reinigende Kraft des Feuers: "Fire walk with me!" Grusel. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.5.2003)