Belgrad - Die Ergebnisse einer soeben gebildeten Expertenkommission, die in der Ermordung des serbischen Regierungschefs Zoran Djindjic ermitteln soll, dürften zum Staatsgeheimnis erklärt werden. Die Kommission soll eventuelle Unterlassungen von Behörden untersuchen, die den Mord am 12. März ermöglicht hatten. Der serbische Innenminister Dusan Mihajlovic kündigte an: Die Expertengruppe werde nur jene Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlichen, die von der Regierung nicht zum Staatsgeheimnis erklärt wurden.

Die Kommission soll unter dem Vorsitz von Vizepremier Zarko Korac arbeiten, die Namen ihrer Mitglieder sind zunächst unbekannt. Der erste Bericht wird in zwei Monaten erwartet. Gegen den Plan, den Bericht nicht zur Gänze zu publizieren, sprach sich Vizeministerpräsident Nebojsa Covic aus.

Biljana Kovacevic-Vuco: Recht auf volle Information

Die Leiterin des "Jugoslawischen Komitees von Menschenrechtsanwälten", Biljana Kovacevic-Vuco, erklärte gegenüber der Tageszeitung "Blic" am Donnerstag, dass die Bürger Serbiens das Recht auf volle Information über die behördlichen Sicherheitsmaßnahmen in der Causa Djindjic und über die Verantwortung der Behörden für die eventuellen Unterlassungen hätten. "Die Geheimhaltung von Informationen ist eine Ausnahme, ihre Veröffentlichung ist die Regel", unterstricht Kovacevic-Vuco. Ihrer Ansicht nach könnten Informationen über Sicherheitsmaßnahmen für Djindjic gar nicht mehr die Sicherheit und Verteidigung des Landes gefährden. Sie dürften daher auch nicht zum Staatsgeheimnis erklärt werden. "Will sie die Regierung jedoch als Staatsgeheimnis behandeln, so dürfte dies den Eindruck erwecken, dass man die Verantwortung von irgend jemandem verheimlichen will", sagte sie.

Gefahr bereits zwei Wochen vor Attentat bekannt

Die Tageszeitung "Glas javnosti" berichtet, dass die regierungseigene Sicherheits- und Informationsagentur BIA (einst Staatssicherheitsdienst) zwei Wochen vor dem Attentat auf Djindjic über die drohende Gefahr unterrichtet worden sei. Demnach hatte der Militärnachrichtendienst am 27. Februar eine Notiz an die BIA, aber auch an einige andere zuständige Stellen, mit der Warnung verschickt, dass der "Sicherheitsring um Djindjic durchlässig" sei und durchbrochen werden könnte. Andererseits hatte der Polizeigeneral Sveta Djurdjevic laut dem Blatt bereits im September des Vorjahres eine ähnliche Information an die BIA gerichtet. Darin sei auch auf die Kidnapping-Gefahr hingewiesen worden sei, in welcher sich angeblich die Kinder des Regierungschefs befändet hatten. "Es wäre am einfachsten, den Wachdienst zu beschuldigen und somit den Sündenbock zu finden", warnte Militär- und Polizeiexperte Aleksandar Radic gegenüber "Glas javnosti".

Der serbischer Innenminister Dusan Mihajhlovic und seine Partei "Liberale Serbiens" hatten nach dem Attentat auf den Regierungschef Forderungen nach seinem Rücktritt wiederholt zurückgewiesen. Auch die Tatsache, dass mehrere BIA-Mitarbeiter in die Ermordung von Djindjic verwickelt worden waren, darunter ihr stellvertretender Chef Milorad Bracanovic, war für den Minister kein Grund für einen Rücktritt.(APA)