Der Finanzminister gab es in seiner Budgetrede vor, und die meisten Ministerkollegen und Regierungsabgeordneten plappern es seither unreflektiert nach: Österreich befinde sich in einer "hervorragenden Ausgangsposition für diese Legislaturperiode", tönte Karl-Heinz Grasser und zählte Punkte wie die (noch relativ) niedrige Arbeitslosenrate, das (noch relativ) hohe Pro-Kopf-Sozialprodukt oder die im Jahr 2002 ausgeglichene Handelsbilanz auf.
Letztere ist zwar das Verdienst heimischer Ostexporteure beziehungsweise aufgrund fallender Importe in Zeiten der Konjunkturflaute zustande gekommen, aber brüsten wird sich ein Politiker doch noch damit dürfen, oder? Dass die Arbeitslosenrate seit mindestens zwei Jahren kräftig steigt und das Wirtschaftswachstum längst nur noch EU-Durchschnitt ist, kommt in der Regierungspropaganda klarerweise nicht vor.
Eine nun vorliegende Analyse des Wirtschaftsforschungsinstituts über die Strukturdefizite Österreichs ist an Deutlichkeit kaum zu überbieten - fast so, als ob Alfred Gusenbauer die Studie in Auftrag gegeben hätte. In der Forschung, in der Bildung, selbst im erst vor einem Jahr reformierten Wettbewerbsrecht stimmen die Strukturen nicht, gibt es teure Doppelgleisigkeiten sowie - bedenklicher noch - Geldmangel an allen Ecken und Enden. Zum Glück ist Österreich wirtschaftlicher Hauptprofiteur von Ostöffnung und Heimatliebe; Sars und Terrorangst in vielen Ländern stützen den heimischen Tourismus. Dies begrenzt den Schaden, den sonst der jetzt dokumentierte Mangel an langfristiger Wirtschaftspolitik durch Schwarz-Blau anrichtet.
Wie jedoch Österreich auf diese Weise jemals unter die wirtschaftlichen Top-drei-Länder der EU kommen soll, wie dies Kanzler Wolfgang Schüssel als Ziel vorgibt, bleibt rätselhaft.(Der Standard, Printausgabe, 23.05.2003)