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Die Stärke der Ausbrüche des Ätnas könnte sich verändern (Archivbild eines Ausbruchs - Satelliten-Aufnahme).

Foto: APA/EPA/NASA
Hamburg - Der Ätna auf Sizilien ist verkabelt wie ein Patient auf der Intensivstation. Er gehört zu den besterforschten Vulkanen der Welt. Trotzdem kommen seine Ausbrüche zumeist überraschend. Jetzt meinen Forschergruppen, zwei Methoden zur Vorhersage gefunden zu haben.

Der Geologe John Murray von der Open University in Großbritannien glaubt, einem Pulsschlag des Ätna auf die Spur gekommen zu sein, der das Verhalten des Vulkans 25 Jahre im Voraus verrät. Im Fachmagazin Geology berichtet Murray, dass Erdbeben und Lavaausstoß am Ätna in Beziehung stehen. Eine Zunahme von Erdbeben führe 25 Jahre später zu deutlich vermehrten Ausbrüchen. Umgekehrt gelte das gleiche Prinzip: Weniger Erdbeben machten sich 25 Jahre später durch weniger Eruptionen bemerkbar.

Statistik

Die statistische Auswertung der Beobachtungsdaten aus 130 Jahren sei erdrückend. Auf Grundlage seiner Statistik prognostiziert Murray den Sizilianern nicht unbedingt ruhigere Zeiten: Zwischen 2007 und 2015 werde der Vulkan nur halb so viel Lava fördern wie in der Zeitspanne von 1987 bis 1995. Weil der Ätna aber Anfang der 90er-Jahre besonders aktiv war, bedeute ein Rückgang der Lavamenge keine Entwarnung. Es müsse weiterhin mit starken Ausbrüchen gerechnet werden.

Das bestätigen auch Forscher um den Geologen Antonio Caracausi von der Universität in Palermo, die ebenfalls einem Lebensrhythmus des Ätna auf die Spur gekommen sein wollen. Sie konzentrierten sich auf den "Atem" des Vulkans, auf Gase, die ständig entweichen. Zwei Arten von Helium erwiesen sich als viel versprechende Indikatoren für die Gefährlichkeit des Ätna: Helium-3 und Helium-4.

Aufquellendes Magma

Das Verhältnis der beiden Heliumgase wird offenbar von der Menge des aufquellenden Magmas bestimmt. Steigt kontinuierlich Magma auf, messen die Forscher einen höheren Anteil des leichten Helium-3, berichten sie in den Geophysical Research Letters. Erklärung: Solange Magma wie ein Korken den Vulkan verstopft, gelangen beide Gase in relativ geringen Mengen und in einem gleich bleibenden Verhältnis an die Luft.

Strömt das Magma auf, gibt es den Weg für Gase frei. Helium-3 kann dabei wegen seines geringeren Gewichtes schneller entweichen kann als das schwerere Helium-4. Ein Anstieg der Helium-3-Menge könne damit als Anzeichen eines Magmaaufstiegs gelten.

Ansteigendes Verhältnis

Kurz vor einem Ausbruch entwich besonders viel Helium-3, während nach Eruptionen eine deutliche Abnahme festgestellt wurde. Seit vier Jahren messen die Forscher ein ansteigendes Verhältnis von Helium-3 zu Helium-4. Daraus schließen sie, dass eine große Menge Magma aufsteigt. Deshalb sei in den nächsten Monaten mit größeren Ausbrüchen zu rechnen.

Damit scheint sich die Warnung der Geologin und Ätnaexpertin Luisa Ottolini von der Universität Pavia zu bewahrheiten, die warnte: "Der Ätna wird gewalttätiger." Ihre Untersuchungen der Lava, die bei Ausbrüchen vor zwei Jahren zutage befördert wurde, hatten ergeben, dass sich der Vulkan vermutlich aus einer neuen Quelle speist. Die Stärke seiner Ausbrüche könnte sich verändern.

(Axel Bojanowski, DER STANDARD, Print, 23.05.2003)