Wien - In der Frage, ob "Töchter" in die Bundeshymne aufgenommen werden sollen, nahm Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle am Mittwoch einen weniger eindeutigen Standpunkt als seine ÖVP-Parteikolleginnen ein: Als Literaturwissenschafter habe er Bedenken, Änderungen eines poetischen Textes einer Künstlerin zu befürworten, erklärte er am Mittwoch vor Journalisten in Innsbruck nach einem Arbeitsgespräch mit dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP).

"Niemand hat das Recht, in einen poetischen Text einzugreifen. Das ist, wie wenn man eine Skulptur umbaut", erläuterte Töchterle. Er nehme jedoch die Anliegen der Frauen ernst, die sich durch die Hymne diskriminiert fühlen würden. Es stelle sich die Frage, ob nicht ein neuer Text gefunden werden müsse. Platter wollte sich nicht äußern. "Es ist alles gesagt", erklärte er.

Sprachwissenschaftler: "Ästhetisch ein Gräuel"

Wenn nun die "Töchter" neben den "Söhnen" in die österreichische Bundeshymne kommen, dann gibt es aus sprachwissenschaftlicher Sicht zumindest ein auditives Problem. "Man hört eigentlich ein Kompositum, die 'Töchtersöhne', also die von der Tochter geborenen männlichen Enkel", sagt der Sprachwissenschafter Franz Patocka vom Institut für Germanistik der Uni Wien. Die Zeile "Heimat bist du großer Söhne" durch "Heimat großer Töchter, Söhne" zu ersetzen sei "grammatikalisch grenzwertig und ästhetisch ein Gräuel".

"Wenn Paula Preradovic schon den Auftrag gehabt hätte, die Töchter einzubauen, dann wäre das sicher anders geworden", so Patocka. Wolle man sich um eine schönere Lösung bemühen, "müsste man wahrscheinlich mehr ändern: man hat ja in der Zeile kaum Platz". So wäre zu überlegen, auch die Reimzeile "Volk begnadet für das Schöne" infrage zu stellen. "Man hat ja schon lang genug nachgedacht darüber und ist auf keine bessere Idee gekommen - in diesem engen Raum habe ich Bedenken."

Schuh: "Hymne ohne Töchter nationale Schande"

Noch mehr Mut zur Veränderung würde auch Franz Schuh begrüßen. "Vielleicht bestünde die Möglichkeit, alles neu zu machen, mit Mann und Frau und Kind", so der Autor. Der Änderung steht er dennoch positiv gegenüber. "Eine Hymne ohne Töchter ist eine nationale Schande", betonte er. "Natürlich, der Text ist alt, da dachte man sträflicherweise noch nicht an das andere Geschlecht. Da man aber den Text immer noch singt, ihn also für aktuell hält, muss man der veränderten Zeit Rechnung tragen."

Außerdem: "Das Geplärre der in der 'Kronen Zeitung' angestellten Männer und der freiwilligen Leserbriefschreiber an dasselbe Blatt überzeugt, wie notwendig die Änderung ist." Ob er ästhetische Bedenken habe? "Aus ästhetischer Sicht habe ich gegen die ganze Hymne nichts als Bedenken", sagt Schuh.

Urheberrechtliche Fragen

"Sollte man das nicht zum Anlass nehmen, sie überhaupt neu zu schreiben?", fragt auch Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autoren. Dann hätte man eine "zeitgemäße Hymne, statt an einem Text herumzubasteln" - was auch aus urheberrechtlicher Sicht nicht bedenkenlos geschehen könne.

Eine "sprach- und musikferne politische Entscheidung" für kosmetische Maßnahmen sei "allenfalls ein Gag". Stattdessen könnte man eine Ausschreibung für einen neuen Text in  Erwägung ziehen.

Autorin: Kinder werden Hymne geprägt

An einem solchen Bewerb teilzunehmen würde sich Julya Rabinovich zumindest überlegen, wie sie gegenüber der APA erklärte. "Das wäre sicher sehr spannend, aber ich weiß nicht ob ich dafür geeignet bin, mit meiner eher herben Lyrik", so die Autorin. In der gesamten Diskussion ist für sie wichtig, "dass Mädchen vermittelt wird, dass sie genauso gemeint sind wie die Buben. Ich habe mich lange nicht mehr mit der Hymne beschäftigt. Aber Kinder hören das und werden davon geprägt."

Auch eine Facebook-Gruppe - allerdings nicht unbedingt von Sprachwissenschaftlern - gegen die geplante Änderung der Hymne hat sich mittlerweile gegründet. (APA)