Wien - "Die moderne Biologie ist ohne Computer nicht mehr denkbar", ist der theoretische Chemiker Peter Schuster überzeugt. Kein Wunder also, dass die 10. European Conference on Computational Biology (ECCB), die gemeinsam mit der International Conference on Intelligent Systems for Molecular Biology (ISMB) vom 17. bis 19. Juli in Wien stattfindet, rund 1.700 Teilnehmer anzieht. Damit ist sie die größte internationale Konferenz auf dem Gebiet des Computereinsatzes im Bereich Biologie.

Von der Beobachtung des Kleinsten ...

Schuster, einer der vier Konferenz-Leiter, nennt als Beispiel für die Notwendigkeit des Computereinsatzes die Sequenzierung des Erbguts: "Wie wollen Sie Milliarden Buchstaben ohne Computer auswerten. Das sind tonnenweise Daten, das kann niemand mehr anschauen." Der Computer ermöglicht es aber auch, sich in dieser Buchstaben-Flut, die nichts anderes ist als die Abfolge der Nukleinbasen in der Erbinformation DNA, auf die Suche nach bestimmten Abfolgen von 20 oder 30 Buchstaben machen, etwa um bestimmte Regulationselemente zu finden.

Auch die "zig-tausend" Strukturen von Biopolymeren, Proteinen und Nukleinsäuren könne man mit dem Auge nicht mehr sichten und vergleichen. Ähnliches gilt, so Schuster, auch für das Stoffwechsel-Netzwerk der Zelle: "Biochemiker haben ein halbes Jahrhundert gebraucht, um die wesentlichsten Reaktionen daraus zu erkennen. Mit den modernen Methoden beginnt man nun sehr viel mehr Daten für diese einzelnen Prozesse zu sammeln und zusammenzuführen, die nur mit dem Computer ausgewertet werden können."

... bis zum großen theoretischen Überbau

Schuster macht auf ein weiteres Einsatzgebiet aufmerksam: Der Biologe fehle eine umfassende Theorie. Die derzeitige theoretische Grundlage sei "150 Jahre alt und ist immer erweitert worden. Sie beginnt mit Darwin, dann wurde die Populationsgenetik und ein bisschen molekulares Wissen aufgepfropft. Jetzt ist der Zeitpunkt, wo man eine neue Theorie formulieren muss." Und eine solche habe nicht wie früher nur eine Stütze, nämlich das Experiment, sondern auch eine zweite: die seriöse Computersimulation.

Auch in der Physik habe sich die Computersimulation zu einem eigenständigen Element entwickelt, das für viele Probleme, die experimentell schwer zugänglich sind, die notwendigen Informationen liefere. "Computational Biology wird in Zukunft diese Rolle spielen", ist Schuster überzeugt. Dazu müssten die Computersysteme und -programme den selben Verlässlichkeitsgrad haben, wie er derzeit etwa im Bereich Hochenergiephysik für Experimente wie am Europäischen Kernforschungslaboratorium CERN verlangt wird. "Diese Fülle an Daten kann ja niemand mehr nachkontrollieren, hier sind die Informatiker gefordert, selbstkorrigierende Programme zu entwickeln", erklärte Schuster. (APA/red)