Die von Wladimir Putin gegründete Allrussische Volksfront hat in zweieinhalb Monaten bereits rund ein Drittel der russischen Bevölkerung als Mitglieder gewonnen. Durch den geschlossenen Beitritt der Agrodwischenie (Vereinigung der Landbevölkerung), der Union der Pensionisten, der Russischen Eisenbahnen und der Russischen Post rekrutierte die Volksfront mit einem Schlag fast 41 Millionen Mitglieder.

Die im Mai vom Premier ins Leben gerufene Bewegung, die allen zivilgesellschaftlichen Gruppen offen steht, soll der immer unpopuläreren Putin-Partei Einiges Russland neues Leben einhauchen und für eine Zweidrittel-mehrheit bei den Dumawahlen im Dezember sorgen. Die Parlamentswahl gilt als Sprungbrett für die Präsidentenwahl im März 2012. Putin hat den Volksfront-Mitgliedern bis zu 50 Prozent der Plätze auf der Liste von Einiges Russland versprochen.

Bei den Regionalwahlen im Frühjahr verpasste Einiges Russland die 50-Prozent-Marke. Und das, obwohl die Opposition von Wahlen de facto ausgeschlossen ist und es immer wieder zu Manipulationen zu Gunsten der Regierungspartei kommt. Laut dem russischen Magazin New Times soll die Zustimmung zu Einiges Russland mittlerweile bei nur 35 Prozent liegen.

Die Hauptaufgabe der Allrussischen Volksfront sei die Wiederherstellung des Vertrauens der Bevölkerung, zitiert New Times einen anonymen Polittechnologen, der am Konzept der neuen Putin-Kreation beteiligt war. Nach Schätzung von Politologen soll die Volksfront der Regierungspartei zusätzlich zehn bis 15 Prozent der Stimmen bringen.

Bis jetzt ist dieser Versuch, das Vertrauen der Wähler wiederherzustellen, jedoch mäßig erfolgreich. Zum einen können mehr als 60 Prozent der Bevölkerung nach einer Umfrage des Fonds für öffentliche Meinung nichts mit Putins Volksfront anfangen. Zum anderen erschütterten Putins Bewegung zuletzt etliche Skandale.

Nicht jeder der Volksfront-Mitglieder ist auch wirklich aus freien Stücken beigetreten. So erfuhr der bekannte Architekt Jewgeni Ass erst zufällig durch eine Liste auf der Volksfront-Website von seiner Mitgliedschaft. In einem offenen Brief protestierte Ass gegen die Zwangsmitgliedschaft und sammelte mehr als hundert Unterschriften. Auch der Verband der Komponisten wehrte sich öffentlich gegen die Vereinnahmung durch die Volksfront. Der Vertrag des Dirigenten Michail Arkadew, der öffentlich die Volksfront kritisierte, wurde daraufhin nicht verlängert.

"Grundidee unterwandert"

Um den Ruf seiner Bewegung besorgt, wies Putin beim Kongress von Einiges Russland die Bürokraten zurecht: "Der Eintritt in die Allrussische Volksfront soll freiwillig sein, sonst wird seine Grundidee unterwandert." Er sei dagegen, dass Menschen zugeteilt würden oder die Mitgliederzahl durch bürokratische Maßnahmen aufgeblasen werde.

Dennoch sorgt die Volksfront in der Bevölkerung für Spott. Russische Blogger machen sich nicht nur über den Eintritt des russischen Blondinenforums oder der Mitarbeiter des Friedhofs der Stadt Engels lustig, sondern veröffentlichen auch Screenshots von Anmeldungen unter dem Namen Michele Obama oder Muammar al-Gaddafi.

Während sich Putin um das Volk bemüht, geht Präsident Dmitri Medwedew bei den Oligarchen auf Stimmenfang. Medwedew habe 27 Wirtschaftsbosse bei einem Treffen am Montag aufgefordert, sich zwischen ihm und seinem Vorgänger Wladimir Putin zu entscheiden, berichtete die Zeitung Wedomosti. Sie würden vor der Entscheidung stehen, ob sie Medwedews Modernisierungsprogramm unterstützen oder ob alles beim allen bleiben soll, sagte ein Teilnehmer. (Verena Diethelm aus Moskau/DER STANDARD, Printausgabe, 14.7.2011)