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"Man muss authentisch bleiben, und ich glaub', auch die Spieler wären verunsichert, wenn da einer sitzt, der dauernd herumfuchtelt"

Foto: APA/Neubauer

Wien - Das Los bescherte Östererreich Belgien als Gegner für das Daviscup-Play-Off zur Weltgruppe. Andreas Du-Rieux sprach für tennisnet.com mit dem scheidenden Daviscup-Kapitän Gilbert Schaller.

Am heißesten Tag des Jahres hat das Los dem österreichischen Davis-Cup-Team ein heißes Auswärtsmatch in Belgien beschert - zur Abschiedsgala des Non-Playing-Captains. Mit welchen Gefühlen kommentieren Sie dieses Relegationsmatch?

Grundsätzlich wär mir ein Heimspiel lieber gewesen, vor allem auch zum Abschied vor unserem Publikum - aber man kann sich das halt nicht aussuchen. Zu Belgien: Ein Los, das man nehmen kann, es hätte viel schlimmer kommen können. Ein schlagbarer, aber sehr gefährlicher Gegner mit Routiniers im Team. Unberechenbar und schwer einzuschätzen, genauso wie die Wahl des Belages, obwohl man Sand kaum erwarten muss. Eher Hartplatz, aber wir werden sehen...

Die Spieler sind „alte Bekannte", allen voran der als schlampiges Genie bekannte Xavier Malisse, der zuletzt in Wimbledon wieder einmal groß aufgezeigt hat. Was macht ihn derzeit so gefährlich?

Ja, er ist sehr unberechenbar. Er hat in der Vergangenheit sein Potential nie richtig ausgeschöpft, hatte aber viele größere Möglichkeiten. Er kann, wie er auch in Wimbledon gezeigt hat, gegen Jürgen Melzer jederzeit zuschlagen und an einem guten Tag ganz groß aufspielen. Gerade im Davis Cup zu Hause ist so ein Spieler sehr unangenehm. Weil Jürgen wird sicherlich in der Favoritenrolle sein, während Malisse eher ohne besonderen Erwartungsdruck rein gehen kann. Er hat die Fähigkeit, jederzeit zwei Punkte zu holen, aber nichtsdestotrotz sind unsere Spieler für die Belgier sicherlich sehr unangenehm. Ich glaub nicht, dass sie mit diesem Los glücklich sind und wir können mit breiter Brust dort hinfahren.

Ja, der zweite ist wohl Olivier Rochus, auch ein alter Fuchs, der zuletzt in Newport im Finale gestanden ist. Auch ihn kennt man seit mehr als 10 Jahren. Warum ist er nun wieder sehr erfolgreich?

Er spielt einen sehr individuellen Stil, ist ein kleiner, wendiger Kämpfer, den man richtig wegmachen muss, der sehr erfahren ist. Er wirkt unscheinbar durch seine Größe, aber er kann alles, bewegt sich sehr, sehr gut - und er strahlt eine unglaubliche Ruhe am Platz aus. Man hat gesehen, in Newport auf Rasen stand er sogar im Finale, und das auf seinem sicherlich nicht besten Belag, sein Spiel ist für Gras kaum prädestiniert.

Stellt sich Ihr Team im Single sozusagen aufgrund der Weltranglistenplatzierungen von selbst auf?

Im Moment ist die Tendenz auf jeden Fall so. Also Melzer und Haider-Maurer im Single, aber nichtsdestotrotz haben wir auch mit Martin Fischer eine starke Alternative, vor allem im Davis Cup hat er mich in der Art, wie er den Druck bewältigt hat, sehr überzeugt. Er hat starke Nerven gezeigt, und das ist ein entscheidender Faktor. Seine vergangenen Resultate könnten vielleicht etwas besser sein, aber er wird sicherlich im Team sein und möglicherweise auch zum Einsatz kommen.

Mit Marach, Peya und Knowle stehen gleich drei Weltklasse-Doppelspieler zur Verfügung. Wer hat die besten Karten?

Natürlich ist es schön, so viele Optionen zu haben, aber nach der Entwicklung der vergangenen Monate und der Leistung gegen Frankreich ist für mich schon das Team Melzer/Marach zu favorisieren. Dennoch: Julie zeigt einen klaren Aufwärtstrend und auch vor Alex kann man nur den Hut ziehen. Er kämpft sich im Doppel beständig nach vorn. Aber wenn nichts dazwischen kommt und alle fit bleiben, tendiere ich momentan doch in Richtung Marach und Melzer.

Was sind denn die wichtigsten Kriterien eines erfolgreichen Daviscup-Kapitäns ?

Zum einen sicherlich die Erfahrung als Spieler in diesem Bewerb, dass man weiss, das hat mit normalem Turniertennis wenig zu tun, was es bedeutet, im Daviscup dein Land zu vertreten und unter diesen Umständen Topleistungen abzurufen. Das hängt sehr mit der Glaubwürdigkeit den Spielern gegenüber zusammen. Die besten Sportler des Landes müssen trotzdem auch den nötigen Respekt haben vor dieser Person, ihm zuhören und auch seine Meinung schätzen! Zum anderen ist das Coaching auf der Bank von enormer Bedeutung - da ist der Druck so groß wie sonst das ganze Jahr nicht für den Spieler und auch das Team. Die richtigen Worte, die richtige Form und der taktische Instinkt sind gefragt: Wann sagt man was zum Spieler, wie kann man ihm am Besten helfen. Wenn das gelingt, bewirkt man sehr, sehr viel – aber das gelingt halt leider nicht immer...

Die Frage zum Nachfolger ist brisant – es drängt sich niemand wirklich auf, außer vielleicht Stefan Koubek, der seine Bereitschaft signalisiert hat. Ist er ohne Coaching-Erfahrung der geeignete Mann ?

Der Stefan ist ein verdienter Spieler, und er weiß ganz genau, was im Daviscup von statten geht. Allerdings - und das ist sicherlich auch ein Punkt – fehlt ihm ein bisschen der nötige Abstand zum Team. Das heißt: speziell Leute wie Melzer, Marach, Knowle und Peya sehen ihn eigentlich noch als Teil des Teams, als einen von ihnen und wahrscheinlich nicht mit dem nötigen Respekt und der Distanz die so eine Postion ganz einfach verlangt. Auf der anderen Seite ist Stefan Koubek eine Person die für das Österreichische Tennis sehr, sehr viel geleistet hat!

Man stelle sich vor, ein verdienter Teamspieler beendet die aktive Karriere und ist gleich darauf Teamchef, ohne Lehrgänge, Trainerkurse, praktische Erfahrung... Im Fußball undenkbar – im Tennis nicht ?

Ja, im österreichischen Tennis haben wir halt das Problem, dass die Persönlichkeiten fehlen, das muss man ganz klar sagen. In der jetzigen Konstellation haben wir wenige, aber auch Clemens Trimmel, der genannt wurde, ist aus der selben Generation wie die meisten noch aktiven. Abstand wäre nötig und Erfahrung im Coaching und vor allem bei der Taktik auf der Bank. Aber ich bin schon genauso neugierig wie die Fans, wer tatsächlich mit diesem Job betraut wird.

Gilbert Schaller war auch harter Kritik ausgesetzt: er sei zu reserviert – er engangiert sich nicht, sitzt auf der Bank, als ob es ihn nix angeht, kann keinen Spieler mitreißen etc... Wie soll ein Kapitän auftreten ?

Ich hab mit den Spielern immer nach und während des Davisups reges Feedback dahingehend gehalten, und sie haben mir unisono bestätigt und immer positiv erwähnt, dass sie sich sehr wohlfühlen mit mir auf der Bank und mit der Art und Weise, wie ich auf sie eingehe und versuche, auch taktisch im Match zu helfen. Das sieht man von außen kaum, und es ist nicht meine Art, wie ein Kasperl aufzuspringen die Fäuste zu schwingen und mit den Schiedsrichtern zu diskutieren, die ihre Entscheidungen ohnehin nie zurücknehmen – die Engerie ist da, wenn auch vielleicht nicht so offensichtlich. Ein Miloslav Mecir oder auch einen Guy Forget - die sind ähnlich introvertiert wie ich und machen auch einen super Job. Man muss authentisch bleiben, und ich glaub', auch die Spieler wären verunsichert, wenn da einer sitzt, der dauernd herumfuchtelt, ohne dass das seinem wahren Naturell entspricht.

Abschließend steht immer die Frage nach der schönsten, nachhaltigsten Erinnerung.

Bis dato sicherlich das Israel-Match weil einfach die Umstände, dort zu bestehen, sehr, sehr schwer waren. Es war unheimlich hitzig - und dann die Entscheidung zu treffen, am Schlusstag Martin Fischer im entscheidenden Match debütieren zu lassen, war schwierig aber letztendlich richtig. Deshalb war das der schönste Sieg in meiner Ära. Gleich dahinter sicherlich: England in Wimbledon auf dem heiligen Rasen zu schlagen, als Alex Peya in ähnlich schwieriger Situation die Kastanien aus dem Feuer geholt hat. Aber rückblickend betrachtet würde ich in 3 Monaten dann gerne sagen: Belgien, das war der schönste und sehr wichtige Erfolg zum Abschluss. Und das ist mein Ziel, dass es dort zum Highlight wird.