Kabul - Die US-Armee hat mit dem von Präsident Barack Obama angekündigten Abzug aus Afghanistan begonnen und die ersten 650 Soldaten ausgeflogen. Wie das US-Militär am Freitag mitteilte, waren die Einsatzkräfte in der Provinz Parwan nordwestlich von Kabul stationiert. Sie hätten Afghanistan in den vergangenen Tagen verlassen und würden nicht durch neue Einheiten ersetzt. Obama hatte Mitte Juni angekündigt, bis zum Sommer kommenden Jahres 33.000 von derzeit rund 100.000 US-Soldaten aus Afghanistan heimzuholen. Bereits in diesem Jahr soll der Truppenumfang um 10.000 schrumpfen. Insgesamt stehen noch mehr als 140.000 ausländische Soldaten unter dem Kommando der NATO-Schutztruppe ISAF. Bis 2014 sollen alle ausländischen Soldaten das Land verlassen haben.

Armeesprecher Michael Wunn sagte, dies sei der erste ersatzlose Abzug von US-Truppen seit der Ankündigung des geplanten schrittweisen Rückzugs. Bei den 650 abgezogenen Soldaten handelt es sich nach Armeeangaben um Angehörige der Nationalgarde von Iowa. Die Soldaten hätten erst Ende Juni erfahren, dass sie nicht durch nachrückende Einheiten ersetzt werden. Als nächstes sollen Marineinfanteristen aus der südlichen Unruheprovinz Helmand abgezogen werden, die als Hochburg der radikalislamischen Taliban gilt.

Leere Kassen

Vor dem Hintergrund leerer Staatskassen und der Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung wird in den USA vermehrt über die Zukunft des Einsatzes diskutiert. Vor allem nach der Erschießung von Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden Anfang Mai in seinem Versteck in Pakistan waren neue Forderungen laut geworden, den geplanten Truppenabzug zu beschleunigen, da es nun keinen Grund mehr für die hohe Zahl der in Afghanistan stationierten US-Soldaten gebe.

Die Zahl der zivilen Todesopfer in Afghanistan ist in den ersten Monaten dieses Jahres stark angestiegen. Im ersten Halbjahr 2011 seien 15 Prozent mehr Zivilisten getötet worden als im Vorjahreszeitraum, teilte die UNO-Mission in Afghanistan in Kabul mit. Auch habe es mehr zivile Opfer bei NATO-Luftangriffen gegeben. Am Dienstag war der mit Drogen- und Waffenhandel sowie Korruption in Verbindung gebrachte Bruder des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai, Ahmed Wali Karzai, ermordet worden. Die Taliban-Aufständischen bekannten sich umgehend zu dem Anschlag. Zahlreiche Anschläge mit vielen Toten zeigten in den vergangenen Tagen erneut, wie angespannt die Sicherheitslage in dem Land weiter ist.

Die NATO hat eine Untersuchung zum Tod von sechs Zivilisten angekündigt, die bei einem NATO-Einsatz in der ostafghanischen Provinz Khost getötet worden sein könnten. Die internationalen Truppen nähmen alle Anschuldigungen zum Tod von Zivilisten "ernst", erklärte die ISAF am Freitag. Sie werde daher eine "lückenlose Bewertung" des Einsatzes vornehmen. Präsident Karzai hatte zuvor eine Untersuchung des NATO-Einsatzes durch die örtlichen Behörden angeordnet. Nach Angaben der Provinzregierung wurden bei dem Einsatz am Donnerstag sechs Zivilisten getötet, unter ihnen auch ein elfjähriges Mädchen. (APA)