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Die Hitzezonen der europäischen Bankenlandschaft sind gelb. Die Bankenaufsicht ist um Deeskalation bemüht, Experten fordern die Politiker auf, die Eurokrise dringend zu lösen.

Foto: AP/Pleul

London/Frankfurt/Brüssel - Der europäische Banken-Stresstest hat laut Aufsehern und Experten seinen Zweck erfüllt. Zwar fielen nur acht von 90 Großbanken durch, doch habe die Belastungsprobe nach Ansicht der EU-Kommissare Olli Rehn und Michael Barnier einen erzieherischen Effekt: "Viele Banken haben mit Blick auf den Test schon vorher Maßnahmen ergriffen, um die Widerstandsfähigkeit ihrer Bilanz zu stärken", stellten sie nach Veröffentlichung fest. "Sie zeigen, dass die große Mehrheit der europäischen Banken nun viel stärker ist und besser in der Lage, Schocks auszuhalten."

Wie berichtet, bestanden nur fünf Banken aus Spanien, zwei aus Griechenland und die Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG) den Test nicht. Es wären aber 20 gewesen, wenn sich viele Institute nicht noch rechtzeitig vor dem Stichtag Ende April Eigenkapital besorgt hätten. Statt 2,5 Mrd. Euro hätte dem europäischen Bankensystem sonst gut das Zehnfache an Kapital gefehlt. "Der Test hat Wackelkandidaten gezwungen, sich rund 40 Milliarden Euro zu beschaffen", sagte Bankenprofessor Klaus Fleischer von der Hochschule München.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) mahnte mit Blick auf die Griechenland-Krise dennoch, mit dem Ausbau ihrer Kapitalpuffer nicht nachzulassen. EZB-Ratsmitglied Erkki Liikanen forderte, dass nicht nur die durchgefallenen Banken, sondern auch die 16 nur knapp durchgekommenen ihre Kapitallücken rasch stopfen. "Vielleicht wurde darauf beim letzten Mal nicht genügend geachtet", sagte er im finnischen TV. Deutsche Aufseher sehen für die HSH Nordbank und NordLB, die gerade so durchkamen, aber keinen Handlungsbedarf.

Der Euro machte nach Bekanntgabe der Testergebnisse Boden auf den Dollar gut. US-Staatsanleihen, die als sicherer Hafen gelten, waren nicht mehr so gefragt. Experten halten den Test dennoch nicht für angetan, die Sorgen der Finanzmärkte auf Dauer zu zerstreuen, zumal er eine Pleite Griechenlands nicht voll ins Kalkül gezogen habe. Die EBA habe die 90 Geldhäuser an die Wand fahren lassen - aber nicht in rasanter Fahrt, sondern nur im Schritttempo, kritisierten Volkswirte. "Das Auto bekam Kratzer, aber man kann damit noch nach Hause fahren", sagte Volkswirt Jürgen Michels von Citigroup.

Stresstestszenario überrollt

"Das eigentliche Problem liegt nicht - wie nun getestet - in den Verlusten der Banken, sondern im Zugang zum Kapitalmarkt und in der Liquidität", sagte Daniel Gros, Leiter des Centre for European Policy Studies (CEPS). Der Stresstest, vor Monaten konzipiert, sei von den Ereignissen überrollt worden. Aussagekraft habe er nur dann, wenn die EU-Politik einen Ausweg aus der Staatskrise finde: "Der Kriegsschauplatz sind nicht mehr die Banken, sondern der Euro."

EBA-Präsident Andrea Enria verteidigte die Testmethode: Die Ergebnisse bildeten in etwa die Folgen des angedachten Schuldenschnitts privater Gläubiger Griechenlands ab, sagte er Reuters Insider TV. Anhand der Fülle von Daten über die einzelnen Banken, von der EBA veröffentlicht, könnten Analysten nun eigene Stresstests anstellen, sagte Jason Karaian aus der Forschungsabteilung des Wirtschaftsmagazins The Economist. "Sie haben weniger Skrupel, und ihre Tests werden viel härter sein." Bankenexperte Kian Abouhossein von der US-Bank JPMorgan hat bereits gerechnet und 27 Institute einer "echten Nagelprobe" unterzogen. Bei einer Eigenkapital-Hürde von sieben statt von fünf Prozent und einem Schuldenschnitt bliebe für sie eine Lücke von 80 Mrd. Euro, allein bei deutschen Instituten 14. Mit dem offiziellen Test sei eine Chance verpasst worden, sagte er.

Kleiner Trost: Wenigstens ein "schwarzer Montag" an den Börsen sei nicht zu erwarten, der Test habe keine großen Überraschungen gebracht, sagte der EBA-Chef. Die acht durchgefallenen Banken haben ihre Probleme teils bereits gelöst bzw. bis Jahresende Zeit, sich mit Geld einzudecken.

Viel wichtiger als die Ergebnisse könnten die Folgen des Gezerres zwischen Banken und Aufsehern um die Kriterien der Tests sein. "Die psychologische Wirkung ist fatal", warnt Bankenprofessor Martin Faust. "Es besteht die Gefahr, dass manch einer sein Geld ins Ausland bringt und ein Bankkonto in der Schweiz eröffnet." Der Kölner Bankenprofessor Thomas Hartmann-Wendels fordert für die nächsten Tests 2012: "Gut wäre, die Ergebnisse nicht mehr zu veröffentlichen. Das Thema Bankenaufsicht ist nichts für den Jahrmarkt." (Reuters, dpa, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.7.2011)