Am Haupteingang des Lobmeyrhofs im sechzehnten Wiener Gemeindebezirk: Die Geschichte ist dem Gemeindebau ins "Gesicht" geschrieben.

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Der Vierkanthof bietet Platz für 250 Mietparteien. Nun soll er generalsaniert und umgebaut werden.

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Eine Gruppe von Menschen wollten das Gebäude bis zur Generalsanierung zwischennutzen.

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Eigentlich hätte es Gespräche mit Wiener Wohnen geben sollen, doch stattdessen kam die Polizei und das Gebäue wurde geräumt. Seither wurden Türen und Fenster mit Brettern verbarrikadiert.

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Auch Eingänge zu Stiegenhäusern sind vernagelt.

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Von den HausbesetzerInnen sind kaum Spuren übrig geblieben: Einige Statements, die mit Kreide an die Mauern geschrieben wurden.

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Der Gemeindebau wurde seit den 80er-Jahren nicht mehr saniert.

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Das Gebäude ist inzwischen sehr baufällig.

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Und so soll es nach Entwürfen der Gesellschaft für Stadt- und Dorferneuerung in ein paar Jahren aussehen. Auf das Dach wird ein neues Geschoss gesetzt, dass sich deutlich von der alten Architektur absetzen soll.

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Die Mauern des Lobmeyrhofs im sechzehnten Wiener Gemeindebezirk erzählen von einer wechselvollen Geschichte: Am Eingang legt der abbröckelnde Verputz Löcher frei. Seit kurzem sind auch mit Kreide geschrieben Statements von Hausbesetzern dazu gekommen. Das letzte Mal wurde die Fassade in den 80er-Jahren renoviert. Es riecht feucht und modrig, das Gebäude muss erst trocken gelegt und der Schimmel bekämpft werden.

Die Architekten Werner Rebernig und Martin Kiener erkennen dennoch das Potential in dem wuchtigen Vierkanthof mit den großen Fenstern: Das Aussehen des Hauses soll erhalten bleiben und zusätzlich soll ein neues Dachgeschoss entstehen. Der Bruch zwischen Alt und Neu soll dabei auch architektonisch hervorgehoben werden. Als der Lobmeyr-Hof 1901 entstand, lebten rund zwei Millionen Menschen in Wien. Wohnungsspekulation führt zu hohen Mieten: Insgesamt war die Wohnsituation in der Hauptstadt die schlechteste in ganz Europa. Um die Jahrhundertwende gab es 300.000 wohnungslose Menschen. Fast 90.000 Stadtbewohner schlugen sich als "Bettgeher" durch.

Begleitmusik einer Räumung

Das Potential des fast leerstehenden Gemeindebaus haben auch andere Menschen erkannt: Anfang Juli wurde der Lobmeyrhof besetzt. Eine Gruppe von rund 40 Menschen wollte die Räumlichkeiten bis zur Generalsanierung für kulturelle und soziale Projekte zwischennutzen. Zudem wollten sie durch die Aktion darauf aufmerksam machen, dass die Mieten nach dem Umbau ansteigen werden. Eigentlich stand ein Gesprächstermin mit Wiener Wohnen im Raum, stattdessen kam die Polizei und räumt die Immobilie, derStandard.at berichtete. Laut Wiener Wohnen verließen die BesetzerInnen freiwillig das Gebäude.

Dem widersprechen die HausbesetzerInnen in einer Stellungnahme aufs schärfste: "Anbrüllen, Beleidigungen, Würgegriffe und Schläge gehörten zur Begleitmusik der Räumung." PressevertreterInnen wurde während der Räumung der Zugang von der Polizei verwehrt, die eine "Sperrzone" errichteten. An anderer Stelle heißt es: "Ein leerstehender Hof darf nicht einmal einen Sommer lang von Leuten benützt werden, um Leben ins Grätzel zu bringen, Kunst und Kultur zu produzieren, ein Zusammenleben auszuprobieren, in dem nicht alles auf Geschäft und Gegengeschäft beruht."

Zwischennutzung als autonomes Zentrum

Ginge es nach den Autonomen hätte zum Beispiel der parkähnliche Innenhof der Allgemeinheit zugänglich gemacht und vor allem als Kidnerspielplatz genutzt werden sollen. Es waren eine Volxbibliothek, Gemeinschaftswerkstätten, kostenlose Beratungsstellen für Frauen, Migrantinnen und Jugendliche geplant. Das autonome Zentrum hätte Raum für kulturellen und sprachlichen Austausch und nachbarschaftliche Initiativen bieten sollen.

Zudem kam auch Kritik an den Wiener Grünen, deren Parteizentrale in der Lindengasse im siebten Wiener Gemeindebezirk als Folge der Räumung besetzt wurde: "Außer Lippenbekenntnissen kam jedoch wenig von der Grünen Partei, welche im Koalitionsabkommen mit der SPÖ auch eine Zwischennutzung leerstehender Objekte vorgesehen hat."

"Sicherheit der BesetzerInnen"

Der Baubeginn ist laut Plan für Anfang 2013 vorgesehen, die Bauzeit beträgt mindestens 24 Monate. Die Gesamtbaukosten werden mit rund 25,8 Millionen Euro kolportiert. Christian Kaufmann, Sprecher von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, berichtet, warum gegen die HausbesetzerInnen vorgegangen wurde, obwohl die Immobilie laut Generalsanierungsplan noch mindestens eineinhalb Jahre leer stehen wird: "Es wird nur noch eine Stiege bewohnt, alle anderen Stiegen sind nicht mehr sicher." Auf den Einwurf, dass die BesetzerInnen grundsätzlich das volle Risiko selbst tragen, falls sie zu Schaden kommen, entgegnet Kaufmann: "Ich möchte mir aber nicht die Medienberichte vorstellen, falls das passieren sollte."

Außerdem zeige die Erfahrung, zum Beispiel mit Blick auf Berlin, dass BesetzerInnen ein gewisses Gewohnheitsrecht ableiten, da für die Instandhaltung einer rudimentären Infrastruktur Investitionen der BesetzerInnen notwendig seien, meint Kaufmann.

"Besondere Wohnformen"

"Wir wollen eine Studentenwohnform auf alle Altersgruppen projizieren", erklärt Architekt Werner Rebernig. Das bedeutet, dass zum einen Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss und zum anderen auch kleine Einraumwohnungen geschaffen werden sollen. Diese kleinen Wohnungen könnten zum Beispiel für Pendler reizvoll sein, die nur tageweise in Wien einen Schlafplatz benötigen. So gebe es zwar einen eigenen Wohnbereich mit Bad und WC, aber auch einen allgemeinen Aufenthaltsraum, in dem Sozialkontakte gepflegt werden könnten.

Die Bäume im Innenhof sollen erhalten bleiben. Der Platz auf Seite der Lorenz-Mandl-Gasse, wo zur Zeit Autos parken, soll zu einer Parkanlage umfunktioniert werden und statt Autos Menschen zum Verweilen einladen. Dafür soll eine Tiefgarage entstehen. Die Architekten verteidigen gegenüber derStandard.at die Vorgehensweise: "Eine Totalsanierung ist das einzig Richtige. Und es wäre teurer und zeitaufwendiger, wenn die Mieter noch darin wohnen." Da der Hof denkmalgeschützt ist, müssen vor Baubeginn noch Details mit dem Bundesdenkmalamt abgeklärt werden.

Miete erhöht sich

"Die Mieter bekommen noch ein Schreiben, wenn die Vergabe begonnen wird, und sie werden selbstverständlich bevorzugt behandelt", sagt eine Vertreterin von Wiener Wohnen gegenüber derStandard.at. Für alle wird jedoch kein Platz mehr sein: Statt 164 Wohnungen wird es durch Zusammenlegungen, Errichtung eines Liftes und den Gemeinschaftsräumen nur noch 150 geben. Eines steht fest: Die ehemaligen MieterInnen des Gemeindebaus in Ottakring erwarten höhere Mietkosten. (jus, derStandard.at, 20. Juli 2011)