Der Großteil der Demonstranten bestand dabei aus jüdischen Israelis, die aus dem ganzen Land angereist waren. Gemeinsam mit Palästinensern haben sie gezeigt, dass viele Israelis einen Palästinenserstaat wollen. Auch, um damit Israel "zu retten".

Wie die Pensionistin Deborah, die extra aus Nordisrael mit dem Bus nach Jerusalem gekommen ist. Wenn sie über die nahe Zukunft nachdenkt, sehe sie dort nichts Gutes. "Aber genau deswegen fühle ich, dass ich etwas tun muss", sagt sie während sie sich den Strohhut gegen die starke Sonne etwas weiter ins Gesicht zieht. "Israel braucht den Palästinenserstaat, um in Frieden weiter zu leben", fügt sie hinzu.

Ein Grund für die Angst vor der Zukunft scheint für viele hier der Kurs der Regierung von Premierminister Netanyahu zu sein. Dieser würde nicht in Richtung Frieden steuern, sondern Israel in eine gefährliche Lage bringen, erklärt ein Demonstrant. "Die israelische Regierung vergibt bewusst jede Chance auf Friedensverhandlungen. Wir Israelis müssen für einen unabhängigen Palästinenserstaat eintreten. Nur so können wir neues Blutvergießen verhindern", sagt Hillel Ben Sasson, Sprecher des Aktivistennetzwerks, das die Demonstration mit organisiert hat.

Etwas später als angekündigt bewegen sich die Israelis und Palästinenser langsam vom Jaffa-Tor der Altstadt in den Ostjerusalemer Stadtteil Sheikh Jarrah entlang der "Grünen Linie", die die Grenze zwischen Israel und den 1967 besetzten Gebieten markiert. Daher teilt sie auch West- von Ostjerusalem. Einige Meter vom Demonstrationszug entfernt improvisieren ein paar Jugendliche eine Gegendemonstration, indem sie eine große israelische Fahne an einer Busstation befestigen. "Für uns sind Israelis, die für einen palästinensischen Staat demonstrieren, Verräter", meint einer von ihnen.

Einige hundert Meter weiter, auf einer breiten Straße am Rande Ostjerusalems, treffe ich den 65-jährigen Nimrod. Ob ihn Bekannte auch Verräter nennen, frage ich. „Das nicht. Aber viele haben ein Problem damit unter palästinensischer Fahne zu demonstrieren. Deswegen bin ich auch alleine aus Tel Aviv hergekommen", sagt er. Nimrod sieht sich als Zionist. Und genau deswegen will er möglichst bald einen Palästinenserstaat. "Sonst ist der Traum von einem gerechten jüdischen Staat in 30 Jahren tot", meint er und verabschiedet sich zurück in die Menge, die laut einem Mitglied der Partei "Hadash" zu 95 Prozent aus Israelis bestehe. Für die meisten Palästinenser aus Jerusalem fehle eben noch der konkrete Anlass für eine Massendemonstration, erklärt eine junge Palästinenserin.

In ein-zwei Monaten, wenn sich die Ereignisse rund um die mögliche Anerkennung des Palästinenserstaats bei der Uno zuspitzen, könnte dieser Anlass gegeben sein. Unterstützt durch tausende Israelis wäre eine friedliche Großdemonstration in Jerusalem dann ein besonders starkes Zeichen für das zentrale gemeinsame Interesse der Menschen auf beiden Seiten: Frieden. (Andreas Hackl, derStandard.at, 18.7.2011)

Der Demonstrationszug vor den Mauern der Jerusalemer Altstadt.

Foto: Andreas Hackl

Das Banner der Solidaritätsbewegung für den palästinensischen Stadtteil "Sheikh Jarrah".

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"Obama, bitte erzwinge Frieden im Nahen Osten."

Foto: Andreas Hackl

Langsam bewegt sich die Menge die Stadtmauern entlang in Richtung Ostjerusalem.

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Ein palästinensischer Junge schwingt stolz seine frisch ausgepackten Fahnen.

Foto: Andreas Hackl
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"Von Berlin nach Bil'in: Die Mauer soll fallen." Bil'in ist ein für seine wöchentlichen Demonstrationen bekanntes palästinensisches Dorf an der israelischen Mauer.

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Am Ende der Demonstration im Ostjerusalemer Stadtteil Sheikh Jarrah warten Gegendemonstranten."Alles Faschisten", beschimpfen sie die linken Israelis.

Foto: Andreas Hackl