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Über Hype und Antisexismus nachgedacht haben diese Fans beim Sieg der Japanerinnen eher nicht.

Foto: AP/dapd/Morry Gash

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Bei diesen US-AmerikanerInnen dürfte auch mehr Gefühl im Spiel sein als Theorie, wenn auch ein anderes als bei den Menschen in Bild oben.

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"Ruhmreicher Charakter beschert den artigen Mini-Japanerinnen gegen starke Amerikanerinnen einen historischen wie sensationellen Wunder-Sieg, der den Schmerz einer Nation nach dem Fukushima-Trauma lindert": So lassen sich Pressestimmen aus aller Welt nach dem sonntäglichen Frauenfußball-WM-Finale in ein internationales und zugegeben schwülstiges Resümme gießen. Noch ein wenig Klagen über die Niederlage des besseren US-Teams hier, noch ein bisschen mehr pathetische Patina für die Heldinnen Japans dort, aber generell stimmt die Presse überein, dass die "Prachtnelken" ob ihrer Standfestigkeit den Sieg dann doch verdient haben.

Don't Believe the Hype

Ob aber die WM an sich die Aufmerksamkeit verdient hat, die ihr widerfahren ist, mit Schwerpunktberichterstattungen in allen großen Zeitungen (in Deutschland), mit Vor-, Live- und Nachberichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (in Deutschland), in den Stadien (im Gastgeberinland Deutschland) - ja, das steht auf einem anderen Blatt. Vielen Blättern sogar. Und wurde/wird deutlich kontroversieller diskutiert: Lohnt die Leistung der Fußballerinnen denn überhaupt eine großartige Auseinandersetzung? Nein, denn die Frauen spielen so schlecht, erklärt Rosemarie Schwaiger im "profil" den (deutschen) "Hype" um die WM als "unbegründet" und die Spielerinnen (woher auch immer) für balllahm.

Do Believe the Hype

In Deutschland selbst, quasi als "Hauptbetroffene" dieses Hypes, sprach man sogar vom "verordneten Sommermärchen": "Müssen wir jetzt alle Frauenfußball gutfinden", fragten sich zum Beispiel die TeilnehmerInnen der ARD-Talkrunde "Hart aber fair". So polemisch der Aufhänger, so harmonisch - mit ein paar zotigen Einsprenklern - letztlich die Diskussion: Von "verordnet" keine Rede, aber Frauenfußball könne als "Methadonprogramm für Männer auf Männerfußball-Entzug" gesehen werden. Wenn man böse sein will. Will man's nicht sein, dann kommt Frauenfußball doch glatt als das neue interessante Ding der Stunde weg.

Das sieht auch Hella von Sinnen so: "Wer gerne Fußball schaut, der guckt auch gerne Frauenspiele", meinte sie im Interview mit der taz. Süddeutsche-Kommentator Holger Gertz räumt überhaupt mit dem georteten Hype auf: "Verglichen mit dem Deutschland-sucht-den-Superstar-Krawall bei RTL oder vielen Promi-Geschichten in Bild, war die WM weit weg von einem Medienhype." Am Ende seien es die Fußballerinnen gewesen, die bewiesen haben, dass sie Respekt verdienen, schwärmt er.

Abseits des Hypes

Den abseits des Spielfelds inszenierten und politisch gewollten Mega-Charakter der WM nahm sich dagegen "Der Freitag"-Verleger Jakob Augstein vor dem Hintergrund des allgemein schlechten Zustands der Gleichberechtigung im Spiegel Online zur Brust: "Die deutschen Fußballfrauen mögen noch so erfolgreich sein - ihr schwer überwindbares Defizit bleibt: Sie sind keine Männer", schickt er seiner Analyse voraus. In die selbe Kerbe schlägt auch Spiegel-Autor Jan Fleischhauer, der seine Ausführungen über die Krux des "politisch korrekten" Fußballs mit dem Verweis auf den Beitrag von Kollegin Barbara Hans schließt, die treffsicher schreibt: "Emanzipation wäre, wenn man über all das nicht mehr reden und schreiben müsste". Und mit all das meint sie: Antidiskriminierung, Vorbildwirkung, "stupide Männer-Vergleiche, plumpen Sexismus". Einfach weiterkicken, nicht auf emanzipatorisch und integrativ machen!

Schwächen ausloten

Dabei tauchte gerade die spielerische Leistung - nicht nur im profil - in den Medien immer wieder als Schwachpunkt der WM auf: Bei "Hart aber fair" wurde die verbreitete Schwäche der Torhüterinnen bei hohen Bällen und die Fehlleistungen der Schiedsrichterinnen kritisiert. Die "Faz" ließ Christian Kamp einen Nebensatz zum "dürftigen Niveau" der Spiele absetzen, um den Masterplan hinter dem "künstlichen" Ergeignis WM deutlicher aufzuzeigen. Auch "Freie Welt"-Mann Richard Herzinger nahm die "fußballerischen Unzulänglichkeiten" der Spielerinnen aufs Korn. Und warnte dennoch mit Verweis auf das Turnier Copa America davor, in ein "Hohelied des Männersports Fußball" einzustimmen.

Und ja, Kritik muss erlaubt sein! Mehr noch: Sie nicht anzubringen, sei sexistisch und zeige einmal mehr, dass dem Frauenfußball nicht der gleiche Stellenwert zukommt wie seinem männlichen Pendant, schreiben Lars Wallrodt und Patrick Krull in der "Welt".

Veränderte Rezeptionsgewohnheiten

Dass sich diese Gewohntheit der Rezeption, Fußball als Männerdomäne zu sehen - zumindest im Zeitraum um die WM, aber nicht nur in Deutschland - doch aufgeweicht hat, liegt nicht zuletzt am intensiven Following durch die Presse, auch und gerade wenn sie Kritik übt. Aber vorallem liegt es an den Sportfans, ob sie nun Ersatz für was auch immer suchen oder einem Hype aufgesessen sind oder einfach nur mit Neugier und Herz dabei: Von dieser Seite gab es ein nicht wegdiskutierbares Interesse an der WM. Das zeigen nicht nur ZuschauerInnenzahlen, sondern auch ein neuer Twitter-Rekord mit rund 7.200 Tweets pro Sekunde während des Finalspiels am Sonntag. (bto/dieStandard.at, 19.7.2011)