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Der lettische Staatspräsident Andris Berzins ist nicht erfreut über die Freilassung von Michail Golowatow. Dem werden in Litauen Kriegsverbrechen zur Last gelegt.

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Protest gegen die Freilassung eines mutmaßlichen Kriegsverbrechers vor der österreichischen Botschaft in Vilnius.

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Riga/Vilnius/Brüssel/Sopot - In der diplomatischen Auseinandersetzung zwischen Litauen und Österreich um die Freilassung eines früheren KGB-Offiziers hat das baltische Land am Dienstag Unterstützung von Lettland erhalten. Nachdem Litauen am Montag seinen Botschafter in Österreich zu Konsultationen nach Vilnius einberufen hatte, wollte auch Lettland der österreichischen Vertreterin in Riga eine offizielle Protestnote aushändigen. Den gleichen Schritt kündigte Estland an. Ursprung des Konfliktes ist die Festnahme und kurz darauf erfolgte Freilassung des russischen Ex-KGB-Offiziers Michail Golowatow in Wien-Schwechat vergangene Woche.

Die Außenminister der drei baltischen Länder wandten sich indes mit einem Brief an die EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Diese bestätigte die Rechtskonformität des österreichischen Vorgehens. Österreich habe das Recht, den europäischen Haftbefehl nicht umzusetzen, wenn die Tat vor der Implementierung erfolgt sei. Golovatov soll die ihm von Litauen zur Last gelegten Kriegsverbrechen 1991 begannen haben. "Rechtlich gesehen ist diese Frage völlig eindeutig", sagte Reding. "Aber wir dürfen die politische Dimension nicht vergessen", mahnte die Kommissarin (mehr dazu hier).

Angesichts der Ausweitung des Streits beschloss Österreichs Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) gemeinsam mit ihrem litauischen Amtskollegen Remigiusjus Simasius eine bilaterale Arbeitsgruppe zu dem Thema. Das bilaterale Treffen sei "lang und ausführlich" gewesen, verlautete aus österreichischen Verhandlungskreisen. "Es gab ein gutes Einvernehmen", hieß es weiter. Simasius wollte die Diskussion der Causa Golovatov während des Plenums des EU-Justizministerrates im polnischen Sopot am Nachmittag an.

Lettische Protestnote

Der lettische Präsident Andris Berzins verkündete indes während eines Besuches in Litauen die Überreichung einer Protestnote. Der APA vorliegenden Informationen zufolge hatte der genannte Termin von Botschafterin Hermine Popeller bei Außenminister Girts Valdis Kristovskis zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht stattgefunden. Sein Land verstehe die Situation "ganz genau". Er unterstütze auch persönlich "voll und ganz" die Position und die Haltung Litauens, sagte das neue Staatsoberhaupt laut der Nachrichtenagentur BNS. Seine Gastgeberin, Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite, dankte ihrem Amtskollegen ausdrücklich für das dadurch erwiesene Verständnis und die Solidarität mit ihrem Land.

Auch die Präsidentin des litauischen Parlaments (Seimas), Irena Degutiene, drückte am Dienstag dem lettischem Präsidenten Dankbarkeit für die Unterstützung im Streit mit Österreich aus. "Das ist sehr wichtig für uns und es ist auch wichtig für die Zukunft der Europäischen Union", sagte Degutiene laut der lettischen Nachrichtenagentur LETA. Dieser Schritt würde unter anderem die "Bruderschaft und Einigkeit unserer Nationen" betonen, so die Parlamentspräsidentin.

In einem gemeinsamen Schreiben protestieren die drei Minister (Litauens Audronis Azubalis, Lettlands Girts Valdis Kristovskis und Estlands Urmas Paet) gegen die Vorgangsweise der österreichischen Justiz in dem Fall. "Wir unterstreichen, dass ein Europäischer Haftbefehl als Instrument gegenseitigen Vertrauens innerhalb der EU in der Praxis effektiv angewendet werden sollte, um Personen festzunehmen und auszuliefern, insbesondere wenn sie in Kriegsverbrechen und in Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwickelt sind", zitierte die litauische Nachrichtenagentur LETA aus dem Schreiben an die EU-Außenminister und an die Kommission in Brüssel.

Litauische Protestnote

Am Montag hatte der litauische Außenminister Azubalis den österreichischen Geschäftsträger in sein Ministerium in Vilnius zitiert und ihm dort eine Protestnote sowie ein Geschichtslehrbuch überreicht. Nach Lettland wollte auch Estland am Dienstag mit dem selben Schritt nachziehen. Über das Online-Portal delfi.lt kündigte Estlands Außenminister Paet die Übergabe einer Protestnote an die Österreichische Botschaft an. Die Entscheidung der österreichischen Behörden, den gesuchten Golowatow weniger als 24 Stunden nach seiner Festnahme wieder freizulassen, bezeichnete er als "böse Überraschung".

Der 62-jährige, heutige russische Sportfunktionär Golovatov war vergangene Woche auf dem Flughafen Wien-Schwechat kurzzeitig aufgrund eines Europäischen Haftbefehls festgenommen, nach österreichischen Angaben wegen der mangelhaften Beschaffenheit des Haftbefehls aber kurz darauf wieder freigelassen worden. Golowatov wird in Litauen für den Sturm sowjetischer Sondereinheiten auf das TV-Gebäude in Vilnius am 13. Jänner 1991 verantwortlich gemacht. Dabei wurden 13 unbewaffnete Bürger ermordet und Hunderte verletzt.

Spindelegger vs. Swoboda

Österreichs Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) zeigte am Montag Verständnis für die Sensibilität des Themas in Litauen, verwies jedoch auf die unabhängige Entscheidung der österreichischen Justiz. Sowohl Spindelegger als auch der Generalsekretär im Wiener Außenministerium, Johannes Kyrle, wiesen Anschuldigungen aus Litauen, Österreich habe auf Druck von Moskau gehandelt, entschieden zurück. Deutliche Kritik am Verhalten der österreichischen Regierung übte der SPÖ-Europaabgeordneten Hannes Swoboda. Der Vizechef der Sozialdemokraten im EU-Parlament erklärte, er glaube, dass "Österreich da sehr unsensibel und eigentlich nicht solidarisch gehandelt hat". Spindelegger habe sich "schon etwas patzig" verhalten. (APA)