Der Wiener Bernhard Pospichal (32) ist seit 1. November 2010 Juniorprofessor für Fernerkundung der Atmosphäre am Institut für Meteorologie der Universität Leipzig. Im Jahr 2006 war er bei einem Forschungsprojekt in Benin (Westafrika) tätig. 

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Von den Folgen der extremen Dürre in Ostafrika sind über 12 Millionen Menschen betroffen.

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Übersicht über die betroffenen Gebiete und die Situation der Dürreflüchtlinge

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derStandard.at: In zahlreichen Medien wird davon gesprochen, dass die Dürre am Horn von Afrika die erste erkennbare Folge des Klimawandels darstellt. Kann man das so pauschal beurteilen?

Bernhard Pospichal: Auf keinen Fall. Es hat in dieser Gegend auch in der Vergangenheit immer wieder Dürrekatastrophen gegeben. Was man sagen kann: 2010 hat global ein starkes La-Nina-Phänomen geherrscht und das hatte auch Auswirkung auf Ostafrika. Aber dieser Zusammenhang wurde bereits vor 20 Jahren wissenschaftlich herausgefunden und ist nicht erst seit heuer bekannt. 

derStandard.at: Hätte man mit dieser Erkenntnis nicht Vorkehrungen treffen und gezielt gegensteuern können?

Pospichal: Konkrete Klimavorhersagen für einzelne Jahre sind nicht möglich. Als Folge von La Nina gibt es eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für zu geringe Niederschlage in Ostafrika. Das wusste man, allerdings ist ein viel größeres Problem, dass Somalia aufgrund der politischen Situation kein funktionierender Staat ist. Kurz gesagt: Es gibt niemanden, der dort steuernd eingreifen könnte. Zusätzlich ist Somalia ist für Wissenschaftler praktisch unerreichbar, dorthin zu gehen, käme Selbstmord gleich.

derStandard.at: Wird das in den Nachbarländern Äthiopien und Kenia besser gehandhabt?

Pospichal: In Kenia sind die Auswirkungen nicht so dramatisch, obwohl Teile des Landes ebenfalls stark betroffen sind. Die Versorgung funktioniert dort schlicht besser, weil die politische Situation stabiler ist. Allerdings wird die Lage durch die zunehmende Anzahl von Flüchtlingen aus Somalia nun auch immer schwieriger. Der Süden Äthiopiens ist von der Dürre ebenfalls schwer getroffen worden. Dort hat sich in den vergangenen Jahren die Landwirtschaft grundlegend geändert. So wurde etwa aufgrund ausländischen Investitionen zusehends von einer kleinräumigen auf großflächige Landwirtschaft umgestellt. Das bringt in Summe aber geringere Flächen, die noch der lokalen Bevölkerung zur Verfügung stehen. Ein generelles Problem in der Gegend ist auch das starke Bevölkerungswachstum: Weil mehr Nahrungsmittel nötig sind, gibt es mehr Viehherden, die auch versorgt werden müssen und viel Land brauchen usw.

derStandard.at: Berichten zufolge soll es in Somalia in den vergangenen fünf Jahren nur in einem einzigen Jahr normale Niederschläge gegeben haben und das bereits die sechste Dürre seit der Jahrtausendwende sei.

Pospichal: Das muss man relativieren: 2010 hat es viel zu viel geregnet und es war deutlich zu feucht. 2009 war ein extrem trockenes Jahr, das Jahr davor war ziemlich ausgeglichen. 2007 war auch ein eher trockenes Jahr. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Klimaszenarien, die im Klimareport 2007 des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, Anm.) veröffentlicht wurden, sogar einen Niederschlagszuwachs für das Horn von Afrika zeigen. . Allerdings geht es dabei um einen Mittelwert für einen längeren Zeitraum und nicht um einzelne Jahresprognosen. Generell lässt sich sagen, dass mit den prognostizierten höheren Temperaturen auch die mittleren Niederschläge steigen - allerdings dürften auch die Extreme (sowohl Dürre als auch Starkregen) zunehmen.

derStandard.at: Wie hoch sind die Chancen, dass es in den nächsten Wochen in Ostafrika regnet?

Pospichal: Es sind immer wieder einzelne Schauer möglich, allerdings haben diese keine Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Die Regenzeiten sind normalerweise von März bis Mai - diese ist heuer fast komplett ausgefallen - und im Oktober/November. Bis dahin ist mit keiner wesentlichen Änderung der Situation zu rechnen.

derStandard.at: Sie waren bei einem internationalen Forschungsprojekt über das Klima in Westafrika tätig. Können Sie darüber kurz berichten.

Pospichal: Weil es in Westafrika gerade in den 1970er- und 1980er-Jahren immer wieder schwere Dürrekatastrophen gegeben hat, wurde ein großes Messprojekt v.a. in Benin und Niger durchgeführt. Wir wollten dieses Phänomen grundlegend erforschen, daher wurden mehrere Bereiche untersucht - von Landnutzung über Wasserversorgung bis hin zu Meteorologie. Für letztere war ich zuständig. Es ging vor allem auch darum, Bewusstsein bei der lokalen Bevölkerung zu schaffen und die Bewohner miteinzubeziehen, damit die Erkenntnisse auch wirklich umgesetzt werden: Zum Beispiel, dass Subsistenzlandwirtschaft nicht ausreicht und auch „auf Vorrat" produziert werden muss. Und da sind Fortschritte zu erkennen. 

derStandard.at: Auch wenn das blöd klingt: Gehört das Phänomen Dürre also fix zu Afrika?

Pospichal: Ja, das klingt blöd, ist aber in einigen Gegenden so. Dürren und trockene Jahre gibt es immer wieder und in verschiedenen Ländern. Gerade die Sahelzone - also jener Bereich zwischen feucht-tropischem Klima und der Sahara - bildet eine Grenze, wo Landwirtschaft gerade noch möglich ist. Und dort besteht immer die Gefahr, dass durch Niederschlagsausfälle Probleme entstehen. Dieser Bereich zieht sich quer über den Kontinent, betrifft also etwa Niger, den Tschad, Mali und im Moment eben sehr stark Ostafrika.

derStandard.at: Lassen sich Erkenntnisse aus Westafrika auch auf den Osten des Kontinents umlegen?

Pospichal: Schwankungen beim Niederschlag können immer wieder auftreten. In der Meteorologie werden zumeist Mittelwerte über einen längeren Zeitraum, zum Beispiel 30 Jahre, betrachtet. Auch die Klimaprojektionen beziehen sich meist auf diese langjährigen Mittelwerte. Nur hilft das eben der Bevölkerung nichts, wenn durchschnittlich zwar der Niederschlag zunimmt, aber auf zehn feuchte Jahre fünf trockene folgen. In einer Langzeitstudie über die Regenmengen am Horn von Afrika wurde etwa festgestellt, dass es über die letzten 100 Jahren verteilt auch immer wieder starke Dürrejahre gegeben hat. (Martin Obermayr, derStandard.at, 19.7.29011)