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Murdoch musste sich am Dienstag im Parlament in London verantworten, draußen wurde protestiert.

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Brauchen betuchte Amerikaner einen erfahrenen Anwalt, hat Brendan V. Sullivan oft gute Karten. Der wortgewaltige Advokat begründete seinen Ruf als Spezialist für knifflige Fälle, als er Oliver North verteidigte, den Colonel der Marineinfanterie, der tief verwickelt war in die Iran-Contra-Affäre, das dubiose Geschäft mit den Ajatollahs in Teheran und den rechten Rebellen in Nicaragua. Auch Ted Stevens, ein Ex-Senator aus Alaska, der Schmiergelder von Ölkonzernen angenommen haben soll, ließ sich von Sullivan vertreten. Nun ist es Rupert Murdoch, der den Starjuristen der Washingtoner Kanzlei Williams & Connolly anheuert.

Allein die Personalie gilt als Fingerzeig. Offenbar rechnet der bedrängte Pressezar mit einem heiklen Rechtsstreit in den Vereinigten Staaten. Wenn es schlecht für ihn läuft und die Wellen des britischen Abhörskandals mit Wucht ans andere Atlantikufer schwappen, drohen ihm gleich zwei Verfahren, nicht nur eines.

"Ungeheuerlicher Verdacht"

Das erste kann eine enorme emotionale Wirkung entfalten, falls die einstweilen noch vagen Vorwürfe stimmen. Nach einem Bericht des Londoner "Daily Mirror" sollen Journalisten der Boulevardpostille "News of the World" versucht haben, die Handy-Mailboxen von Opfern der Terroranschläge des 11. September 2001 abzuhören. Noch fehlt es an handfesten Belegen, angeblicher Kronzeuge ist ein New Yorker Polizist, der es vorzieht, anonym zu bleiben. Konservative Politiker wie John McCain halten das Ganze für eine Räuberpistole, zumal der "Daily Mirror" in erbitterter Konkurrenz zu Murdochs Gazetten steht. Andere, wie Frank Lautenberg, demokratischer Senator des Bundesstaats New Jersey, rufen die Bundespolizei FBI zu akribischen Ermittlungen auf. Einen so ungeheuerlichen Verdacht dürfe man nicht auf die leichte Schulter nehmen, sagt er. "Die Familien der Opfer haben genug gelitten. Sie haben Antworten verdient."

Der zweite potenzielle Prozess lässt Eric Holder, den Justizminister, aktiv werden. Nach dem "Foreign Corrupt Practices Act" dürfen in Amerika ansässige Unternehmen keine ausländischen Beamten bestechen, um Aufträge zu ergattern oder sich anderweitig Vorteile zu verschaffen. Ein Bakschisch für Scotland Yard fällt durchaus unter diese Rubrik. Und Murdochs News Corporation ist in den USA registriert, im kleinen Ostküstenstaat Delaware, dessen niedrige Unternehmenssteuern und businessfreundliche Gesetze zahlreiche Großkonzerne anlocken. Der TV-Sender Fox, Lieblingskanal konservativer Amerikaner, gehört ebenso zum News-Corp.-Imperium wie die Hollywood-Filmstudios von 20th Century Fox, die schrille "New York Post", das seriöse "Wall Street Journal" und der Buchverlag Harper Collins.

Stimmung kippt

Dass der Stuhl des Medienmoguls wackelt, ist längst kein Geheimnis mehr. Unter den Aktienbesitzern, schreibt das Wirtschaftsmagazin "Economist", kippe langsam die Stimmung, allmählich werde Rupert Murdoch als Belastung empfunden. Einer der institutionellen Anleger, die Amalgamated Bank, einst als Kooperative von Textilarbeitern gegründet, hat bereits Klage erhoben. Was News Corp. biete, sei eine "unerhörte Ansammlung von Vetternwirtschaft und falscher Unternehmensführung", argumentiert der Anwalt Jay Eisenhofer im Namen des Geldinstituts. Dem Aufsichtsrat fehle jeglicher Wille, "die Rolle des Erwachsenen zu spielen", fügt Eisenhofer polemisch hinzu und spricht von einem gigantischen Desaster.

Eine Einzelstimme ist es nicht. Jahrelang konnte sich Murdoch im Ruhm des "Deal-Königs" sonnen, eines mit allen Wassern gewaschenen Mannes, der wusste, wie man ein Geschäft unter Dach und Fach bekommt. Jetzt droht die Ratingagentur Standard & Poor's, die Kreditwürdigkeit seines Konzerns herabzustufen. Sowohl das lädierte Image als auch die wachsende Gefahr langwieriger Gerichtsprozesse ließen das Risiko steigen, heißt es. Immer lauter wird der Ruf nach einem Nachfolger für den 80-jährigen Tycoon. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD; Printausgabe, 20.7.2011)