Der Linux-Desktop KDE 4.7, hier im Beispiel mit dem KDE:Unstable-Repository auf openSUSE 11.4 installiert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Von Haus aus entfernt Dolphin nun die Menüzeile und zeigt die Seitenspalte nur optional an, zum Vergleich oben das alte und unten das neue Layout.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eine der - gerade langfristig - wichtigsten Neuerungen ist die Unterstützung von OpenGL2 / OpenGL ES 2.0 beim Fenstermanager KWin.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Das Oxygen-Icon-Set wurde einmal mehr überarbeitet und erweitert.

Grafik: KDE

Mit Gwenview können zwei BIlder leicht verglichen werden.

Grafik: KDE

Der Weltenbetrachter Marble kann nun auch offline Adressen suchen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Der Login-Manager KDM versteht sich jetzt mit Grub2 (im Bild eine Vorversion von Kubuntu 11.10)

Screenshot: Andreas Proschofsky

Parallel zu KDE 4.7 gibt es mit DIgikam 2.0 auch eine neue Generation der Bildverwaltungssoftware.

Grafik: KDE

Wie schnell sich die Zeiten in der Linux-Desktop-Welt doch ändern können: Vor nicht all zu langer Zeit war KDE jener Desktop, der mit neuen Ansätzen und gröberen technologischen Umbrüchen für so manch gepflegten Flamewar in der Community sorgte. Bei GNOME setzte man hingegen jahrelang auf die kontinuierliche Pflege des Bestehenden.

Verkehrte Welt

Mittlerweile hat sich diese Außenwahrnehmung aber beinahe zur Gänze gedreht: Während GNOME mit GNOME3 gänzlich neue Pfade in User-Experience-Fragen beschreitet, konzentriert man sich bei KDE auf das einst dem Mitbewerb zugeschriebene Konzept der evolutionären Verbesserungen im fixen Zeitrahmen. Mit KDE 4.7 gibt es nun denn auch einen neuen Eintrag in der Geschichte des Linux-Desktops, sechs Monate nach KDE 4.6 liefern die EntwicklerInnen wieder so manch neue Features für die Software.

Fensterln

Als besonders aktiv hat sich schon in den letzten Monaten die Entwicklung rund um den KDE-eigenen Fenstermanager KWin erwiesen, dies schreibt sich auch mit der aktuellen Release fort. So gibt es hier gleich einen ganzen Haufen struktureller Verbesserungen, die sich neben einer gesteigerten Performance auch in einer erweiterten Plattformunterstützung niederschlagen.

Grundlagen

Das Highlight: KWin unterstützt nun OpenGL 2 / OpenGL ES 2.0. Wichtig ist dies zunächst mal vor allem für mobile Plattformen, deren GPUs typischerweise für OpenGL ES 2.0 optimiert sind. Am Desktop darf man sich hingegen über die erwähnten Performanceverbesserungen freuen, dies allerdings noch mit gewissen Einschränkungen. Müssen dafür doch auch die Grafiktreiber mitspielen, was leider noch nicht bei allen der Fall ist. In einer solchen Situation wird der OpenGL2-Support automatisch deaktiviert, wer das Ganze manuell vornehmen will, findet einen entsprechenden Punkt in den Einstellungen.

Licht und...

Gänzlich neu gestaltet hat man das Schattensystem, das nun direkt in den Compositor gewandert hat. Durch diesen Schritt will man nicht zuletzt die Schattendarstellung vereinheitlichen, bisher übernahmen diese Aufgabe die diversen Window Decorators, was einen gewissen optischen Wildwuchs zur Folge hatte. Ebenfalls nachgebessert wurde beim Blur-Effekt von KWin, vor allem der proprietäre Nvidia-Treiber profitiert vom Support für den "Graphicssystem Raster".

Volle Konzentration

Gerade für die Spiele-Performance ist eine weitere Neuerung wichtig: Bei Programmen, die im Vollbildschirmmodus laufen, wird nun das Compositing von Haus aus vollkommen deaktiviert. Dies als Konsequenz daraus, dass diverse Benchmarks gezeigt haben, dass Compositing eine negative Auswirkung auf die Performance / Framerate hat. Neben Spielen profitieren davon natürlich auch andere Anwendungen wie der Windows API-Nachbau Wine oder Videoplayer a la VLC.

Dolphin

Dem in der Softwarewelt derzeit weiter grassierenden Trend zur Interface-Reduktion will man sich offenbar auch beim Dateimanager Dolphin nicht verschließen. Dessen Oberfläche wurde gleich in mehreren Punkte angepass. So wird die Menüzeile nicht länger von Haus angezeigt, statt dessen gibt es platzsparend einen Menüknopf in der rechten oberen Ecke des Fensters. Wer mit diesem Design so gar nicht leben kann oder will, kann auf Wunsch natürlich auch wieder den altgewohnten Aufbau reaktivieren. Zusätzlich verspricht die neue Version des File Managers Verbesserungen bei der Suche in Metadaten und eine erweiterte Integration mit Source-Code-Verwaltungssystemen.

Optisches

Auch jenseits von Dolphin bringt KDE 4.7 wieder einiges an visuellem Feinschliff: So hat man das Oxygen-Icon-Set einmal mehr überarbeitet und erweitert. Auch das zugehörige GTK+-Theme - mit dem sich GNOME-Anwendungen optisch bestmöglich in den KDE einfügen sollen, wurde weiter verbessert. Außerdem hat man in einigen Bereichen an der Konsistenz zwischen unterschiedlichen UI-Elementen gefeilt, etwa zwischen Uhr und Benachrichtigungsbereich.

Plasma

Der Aktivitätsmanager von KDE nimmt in der aktuellen Release eine deutliche prominenter Position als bisher im Panel ein, womit man das Aktivitätskonzept - zur Gruppierung zusammenhängender Tätigkeiten / Fenster - stärker in den Vordergrund stellen will. Beim Anwendungsstarter Kickoff wurde eine Brotkrumennavigation hinzugefügt, mit deren Hilfe die NutzerInnen nicht zuletzt leichter auf höherer Ebenen in der Hierarchie zurückkehren können sollen. Einige Verbesserungen gibt es bei der Netzwerkverwaltung zu vermelden, nicht zuletzt gehört dazu die - noch experimentelle - Unterstützung für den NetworkManager 0.9, wie er auch von  GNOME3 genutzt wird.

Suche

Der Text-Editor Kate kann mit einem neuen Such-Plugin aufwarten, das gleichermaßen die zuletzt benutzen Dateien als auch die Festplatte als Ganzes durchsuchen kann. Derzeit ist dieses Plugin noch optional, mit KDE 4.8 soll es dann zur Default-Lösung werden. Darüber hinaus verspricht man Verbesserungen beim Tab-Bar-Plugin und im Bereich Drucken. Der Sternenbetrachter KStars bietet diverse kleinere Neuerungen, dazu gehört etwa der dynamische Wechsel zwischen dem nativen und dem OpenGL-Rendering-Backend. Kometenschweife werden jetzt gleich mithilfe von OpenGL gezeichnet.

Kommunikation

Der Login-Manager KDM kann jetzt auch mit der aktuellen Generation des Boot-Managers Grub (also: Grub2) umgehen. Konkret geht es dabei um Funktionen wie die Anwahl des zunächst zu startenden Betriebssystems - und der direkte Reboot in dieses.

Aufgewacht

Der Weltenbetrachter Marble hat eine Offline-Suchfunktion spendiert bekommen, soll also Ergebnisse auch ganz ohne Netzanbindung liefern. Außerdem unterstützt man Sprachnavigation, es gibt eine neuen "Wizard" zur Kartenerstellung und diverse zusätzliche Plugins. 

Diverses

Mit einem sehr nützlichen neuen Feature kann der Bilderbetrachter Gwenview aufwarten: Hier können nun zwei Bilder direkt nebeneinander verglichen werden. Kalarm weiß mit der Möglichkeit einen Rechner zu einem vorher bestimmten Zeitpunkt automatisch aus dem Schlafzustand aufzuwecken zu gefallen. Der universelle Dateibetrachter Okular kann zudem jetzt Verzeichnisse als Comic-Buch interpretieren und entsprechend darstellen.

DigiKam 2.0

Parallel zu Freigabe von KDE 4.7 gibt es auch die Veröffentlichung von DigiKam 2.0 zu feiern: Die lange erwartete, neue Generation der beliebten Bilderverwaltung kann unter anderem mit Gesichtserkennung und einer Versionsverwaltung aufwarten. Zudem ist der Support für XMP-"Sidecar"-Dateien hinzugekommen, größere Umbauten gab es beim Tagging und bei den Anmerkungen zu Fotos.

Akonadi

Die schier endlose Geschichte um das Akonadi-Backend für Kontakte, Mails und Co. soll mit KDE 4.7 nun ein Ende nehmen. Zwar wird Akonadi schon seit seit einigen Monate offiziell für  viele der KDE PIM-Anwendungen genutzt, mit der Version 4.7 hofft man aber nun darauf, dass dieses Backend auch tatsächlich von den Distributionen zum Einsatz gebracht wird. Diese hatten nämlich praktisch unisono bislang vor diesem Schritt zurück gescheut. Neu ist zudem KMail 2, rein äußerlich hat sich dabei zwar wenig getan, allerdings setzt jetzt auch die Mail-Anwendung des KDE-Desktops von Haus aus ganz auf die Flexibilität von Akonadi.

Plattform

Weitere Fortschritte macht man rund um den "semantischen Desktop", so gab es bei Nepomuk zahlreiche interne Umbauten, wodurch die Software gleichermaßen schneller und stabiler geworden sein soll. Das Medien-Framework Phonon kann jetzt mit Events vom - eigentlich im GNOME-Umfeld entstandenen - Zeitgeist-Framework umgehen. Das VLC-Backend sieht man erstmals als stabil an.

Qt

Die Basis von KDE bildet bekanntermaßen das Qt-Framework: Aktuell ist hier zwar weiterhin die Version 4.7.x, bis zur Aufnahme in die diversen Distributionen wird aber aller Voraussicht nach noch Qt 4.8 nachgereicht, insofern auch darauf ein kurzer Blick. Im Vergleich zu den letzten Updates halten sich die Neuerungen in relativ engen Grenzen, was wohl nicht zuletzt den Turbulenzen rund um Nokia und dessen weiterer Strategie in Bezug auf das C++-Framework zuzuschreiben ist.

Umbau

So hat denn auch die Modularisierung von Qt und die Öffnung der Entwicklung im aktuellen Zyklus eine zentrale Rolle eingenommen. Mit Lighthouse gibt es aber zumindest ein große technische Neuerung zu berichten: Dabei handelt es sich um eine Plattform-Abstraktions -Ebene, mit deren Hilfe die Portierung auf andere Plattformen und vor allem Grafikumgebungen erleichtert werden soll. Insofern ist Qt Lighthouse auch ein wichtiger Schritt zur Unterstützung des potentiellen X.org-Nachfolgers Wayland.

Verfügbarkeit

KDE 4.7 steht in Form des Source Codes von der Seite des Projekts zum Download, wie von KDE gewohnt gibt es auch wieder Binärpakete für diverse Distributionen. Zudem wird die neue Release wohl schon bald in die Entwicklungszweige diverser Distributionen wandern, etwa für Kubuntu 11.10 oder openSUSE 12.1. Zudem bietet openSUSE üblicherweise ein externes Repository mit der neuesten KDE-Version an. Auch andere Distributionen wie Arch Linux haben die Pakete schon während der Entwicklung live einfließen lassen. Zum unkomplizierten Ausprobieren bietet sich außerdem die Live-CD von Chakra an. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 87.07.11)