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Ahmed Wali Karsai, der Halbbruder des afghanischen Präsidenten: Der Vorsitzende des Provinzrats von Kandahar hatte bei westlichen Geheimdiensten einen Ruf als Drogenbaron.

Foto: REUTERS/U.S. Navy photo by Petty Officer 1st Class Mark O'Donald/Handout

Kabul/Wien – Schon mehrere Male war Ahmed Wali Karsai (50) Ziel von Anschlägen. Im Mai 2009 etwa wurde der Konvoi des Halbbruders des afghanischen Präsidenten angegriffen, ein Leibwächter starb. Am Mittwoch wandte sich dann einer seiner Sicherheitsmänner gegen den Provinzchef von Kandahar. Die Taliban bekannten sich, aber die Motivationslage des Täters, der sofort erschossen wurde, bleibt unklar. Sardar Mohammed stand seit Jahren im Dienst der Familie Karsai, heißt es. Er sei von den Taliban angeworben worden, behaupten diese in einer Erklärung.

Nach dem Mordversuch an Ahmed Wali Karsai 2009 war in westlichen Medien einhellig von einer Episode im afghanischen Drogenkrieg die Rede gewesen. Auf diversen Drogenbaronlisten stand er ganz oben. Schon 2006 hatten westliche Geheimdienste Präsident Hamid Karsai erfolglos beschworen, sich von seinem Bruder zu distanzieren. Die USA kannten Ahmed Wali gut: Wie etliche andere afghanische Politiker, die nach dem Sturz der Taliban 2001 in ihre Heimat zurückkehrten, stand auch Ahmed Wali Karsai offenbar auf einer CIA-Gehaltsliste. Von dort landete er aber schnell auf der Buhmannliste – spätestens als auf einer ihm gehörenden und von seinen Sicherheitsleuten bewachten Farm mehrere Tonnen Rohopium gefunden wurden.

Präsident Karsai hatte seinen jüngeren Halbbruder väterlicherseits stets in Schutz genommen: Die Anschuldigungen seien bloß eine politische Intrige. Nun verliert Hamid Karsai mit Ahmed Wali seinen wichtigsten Spieler und Interessenvertreter in der von den Taliban heimgesuchten Provinz Kandahar. Ahmed Wali, der vor seiner Rückkehr nach Afghanistan genauso wie sein Bruder in einem familieneigenen Restaurant in den USA gearbeitet hatte, war Vorsitzender des Provinzrates.

Präsident Karsai informierte die Öffentlichkeit vom "Martyrium" seines Bruders und nannte sein Schicksal "das Leben aller Afghanen". Kritiker der Karsai-Familie, die auf die Korruption und den Nepotismus im Umfeld des Präsidenten verweisen, können mit dieser Darstellung wenig anfangen. Die Karsais haben ein enges Netzwerk geflochten, mit dessen Hilfe sie nach Meinung einiger Beobachter auch ihre politische Macht in Afghanistan institutionalisieren wollen – obwohl die Vorgänge in der arabischen Welt heute die Installierung einer "Präsidialdynastie" wohl generell schwieriger machen. Aber die westliche Aufmerksamkeit für Afghanistan sinkt. 2014 kann Hamid Karsai selbst nicht mehr kandidieren – dem steht die Verfassung entgegen: noch -, dann könnte ein Familienmitglied einspringen.

In gewisser Weise haben die USA und ihre Verbündeten vor den afghanischen Verhältnissen kapituliert – wichtiger als politische Sauberkeit in Afghanistan ist die Stabilität Pakistans, das den USA immer mehr entgleitet. Nachdem Washington einen Teil der Militärhilfe aufs Eis gelegt hat, droht Islamabad ganz offen damit, nicht länger den Polizisten im Grenzgebiet zu Afghanistan spielen zu wollen, wenn die USA nicht dafür zahlen. Diese verschärfen einmal mehr ihren Luftkrieg: Bei Drohnenangriffen wurden zuletzt 50 Menschen getötet. (Gudrun Harrer, STANDARD-Printausgabe, 13.7.2011)