Große kosmische Strukturen aus Dunkler Materie verteilen sich im Raum über Jahrmilliarden hinweg in ähnlicher Art und Weise wie herkömmliche Materie: dies ist eine der wichtigsten Schlussfolgerungen, die Wissenschafter aus aktuellen Computer-Simulationen ziehen, die sich mit dem Verhalten dieser mysteriösen Substanz beschäftigt. Die durchgeführten Berechnungen markieren den Höhepunkt der langjährigen Arbeit eines internationalen Teams von Astrophysikern und Kosmologen.
Die hochauflösenden Simulationen ermöglichten es den Wissenschaftern von der Universität Warschau, der russischen Akademie der Wissenschaften und dem Institut für Astrophysik in Potsdam, die Entwicklung großer Wolken aus dunkler und normaler Materie nachzuvollziehen. Die Ergebnisse ihrer Berechnungen bestätigen frühere Annahmen über die grundsätzliche Struktur von Dunkler Materie und ihrer Verteilung im Kosmos.
Seit mehreren Jahrzehnten ringen Astronomen darum, die Bewegung von Sternen in Galaxien und Galaxien in Galaxienhaufen erklären zu können: Den anerkannten Gesetzen der Physik zufolge müssten die Sterne am Rand einer Galaxie viel langsamer um das Zentrum rotieren, als sie es den Beobachtungen gemäß tatsächlich tun. Die Diskrepanz führte die Kosmologen zu der Annahme, dass es dort draußen viel Masse gibt, die man bisher einfach noch nicht wahrgenommen hat. Messungen zeigen, dass eine typische Galaxie zehn bis 50 Mal mehr unsichtbare Materie beinhaltet als normale Materie; Galaxienhaufen müssten sogar zwischen 100 und 500 Mal mehr von dieser ominösen Dunklen Materie enthalten, damit die beobachteten Bewegungen erklärbar werden.
"Es stellt sich heraus, dass normale Materie, die unsere sichtbare Welt bildet, allenfalls ein minimales Anhängsel der Dunklen Materie ist. Es gibt mindestens sechs Mal mehr der Dunklen Materie im Universum - und niemand weiß, um was es sich dabei tatsächlich handelt," meint Marek Demiański von der Fakultät für Physik an Universität Warschau.
Materie aus exotischen unbekannten Teilchen
Momentan hat sich die Annahme durchgesetzt, dass sich Dunkle Materie aus exotischen der Wissenschaft noch unbekannten Teilchen zusammensetzt, die - wenn überhaupt - nur sehr wenig mit elektromagnetischer Strahlung und anderen Elementarteilchen in Wechselwirkung treten. Den Kosmologen gelingt die Beobachtung der Dunklen Materie derzeit nur indirekt, und zwar durch die Untersuchung der Auswirkungen ihrer gravitativen Anziehungskraft auf normale Materie.
Angesichts der beträchtlichen Menge an Dunkler Materie müsste sie eine fundamentale Rolle bei der Entstehung von Galaxien und Galaxie-Clustern gespielt haben. Wissenschafter versuchen deshalb herauszufinden, nach welchen Regeln Dunkle Materie im Universum verteilt ist und wie sich größere Strukturen Dunkler Materie im Laufe der Zeit entwickeln. Um diese Fragen zu beantworten, müsste man vor allem frühe Galaxienhaufen beobachten, deren Licht zehn oder mehr Milliarden Jahre unterwegs war. Doch derart ferne Objekte sind schwer zu finden; es liegen zu wenig Beobachtungsdaten vor, um eine aussagekräftige statistische Analyse zu ermöglichen.
Zum Glück für die Kosmologen haben sich Computersimulationen als nützliches Werkzeug zur Analyse des Verhaltens von Dunkler Materie erwiesen. Die Simulationen ermöglichen eine Einschätzung jener Prozesse, die an der Clusterbildung von Dunkler Materie in großem Maßstab beteiligt sind und zeigen ihre Auswirkungen auf die Verteilung der normalen Materie. Durch den Vergleich der errechneten Ergebnisse mit Beobachtungsdaten können die Astrophysiker ihre Annahmen über die Eigenschaften der Dunklen Materie beurteilen.
Einblicke ins Verhalten von Dunkler Materie
In ihren Simulationen gingen die Forscher davon aus, dass in der ersten Zeit nach dem Urknall Dunkle und normale Materie mehr oder weniger gleichmäßig im Universum verteilt waren. Da aber Dunkle Materie im Unterschied zu herkömmlicher Materie kaum mit elektromagnetischer Strahlung interagiert, konnte sich diese schneller unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammenballen; leichte Unregelmäßigkeiten in der Verteilung führte zu Konzentrationen Dunkler Materie, die schließlich auch normale Materie anzog. Im Verlauf ihrer Berechnungen "blähten" die Forscher ihr simuliertes Universum auf und analysierten schließlich die Verteilung der Dunklen Materie im Laufe der Zeit.
Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen daraus war für die Astrophysiker, dass sich Dunkle und normale Materie in kosmologischen Maßstäben ganz ähnlich verhält. "Diese Ähnlichkeit ermöglicht Rückschlüsse auf die Verteilung der Dunklen Materie auf Grundlage der Beobachtung normaler Materie. Damit können wir nun durch Beobachtung der Bewegung von Galaxienhaufen Einblicke in die unsichtbare Welt der Dunklen Materie gewinnen," erklärt Demiański. (red)