N'Djamena/Dakar - Der frühere Machthaber des Tschad, Hissene Habre soll nach dem Wunsch der tschadischen Regierung nach Belgien ausgeliefert werden. Habre, der sich seit 1990 im Exil im Senegal befindet, werden Massenmorde und schwerste Menschenrechtsverstöße vorgeworfen. Wie das tschadische Außenministerium am Freitag mitteilte, würde man "von nun an" die Möglichkeit "bevorzugen", den Ex-Diktator in Belgien vor Gericht zu sehen. Vor knapp zwei Wochen noch hätte Habre an den Tschad ausgeliefert werden sollen.

Erst vor zwei Wochen entschied Senegal, die Auslieferung Habres in den Tschad auszusetzen. Die Menschenrechts-Hochkommissarin der Vereinten Nationen, Navanethem (Navi) Pillay, hatte die senegalesische Regierung aufgefordert, die Entscheidung zu überdenken, den 69-Jährigen an seine Heimat zu übergeben, da es unzureichende Garantien für einen fairen Prozess gebe und ihm zudem Folter drohe. Die tschadische Regierung erklärte daraufhin ihr "tiefes Bedauern" über die senegalesische Haltungsänderung. Nun stimmt die Regierung des Tschad der Auslieferung nach Belgien zu, weil die Opfer Habres "ein legitimes Recht auf Gerechtigkeit" hätten.

Todesurteil

Habre wurde 2008 in Abwesenheit von einem Gericht im Tschad wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt. Er lebte seit seinem Sturz durch den jetzigen Staatschef Idriss Deby im Exil in Dakar. Habre riss die Macht in der ehemaligen französischen Kolonie an sich, nachdem er den Präsidenten Goukouni Oueddei vertrieben hatte. Eine 1992 im Tschad eingesetzte Kommission kam zu dem Schluss, dass es während seiner Regierungszeit zu 40.000 politisch motivierten Morden und 200.000 Fällen von Folter gekommen war.

Nach Dokumentationen von Menschenrechtsorganisationen litten unter Habres Diktatur Hunderte von politischen Häftlingen unter grausamen und unmenschlichen Haftbedingungen. Gefangene wurden gefoltert, ermordet oder vergiftet, Frauen zu Sklavendiensten und zur Prostitution gezwungen. In den Gefängnissen des Nationalen Sicherheitsdienstes (DSS) sollen sich viele Menschen als Geiseln für Verwandte in Haft befunden haben. Im Jahr 2000 wurde er im Senegal angeklagt, ein Berufungsgericht wies die Klage jedoch später mit der Begründung zurück, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht Teil des senegalesischen Strafgesetzes seien.

2005 stellte Belgien einen internationalen Haftbefehl gegen Habre aus, nachdem mehrere mutmaßliche Opfer vor belgischen Gerichten geklagt hatten. Senegal lehnte eine Auslieferung jedoch ab. 2009 leitete Belgien ein Verfahren vor dem Haager Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ein, das den Senegal zur Strafverfolgung Habres oder einer Auslieferung an Belgien drängen sollte. Ein Urteil steht noch aus. (APA)