Der Umschlag des neuen chinesischen Wörterbuches: In der 11. Auflage gibt es auch Entspannung mit Hongkong und Taiwan.

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Peking - "Bye-bye" ist eines der beliebtesten ausländischen Lehnworte in China. Bis Anfang Juli gab es jedoch keine einheitliche chinesische Schreibweise für den Abschiedsgruß. Pekings Sprachhüter einigten sich nun, das Wortpaar "Bai Bai" in ihre Neuausgabe des wichtigsten Sprachlexikons des Landes aufzunehmen. Sie passten dazu auch die Aussprache der Zeichen dem englischen "bye-bye" an. Im Hochchinesischen gibt es vier Töne. Das Schriftzeichen Bai wird im vierten Ton gesprochen. Weil es zu hart klang, erfanden die Sprachforscher ein weiteres Bai, diesmal im zweiten Ton. Im neuen Wörterbuch steht nun "Bai Bai" im zweiten Ton.

Das Beispiel zeigt die Flexibilität, mit der Sprachwissenschafter, neue Ausdrucksweisen und Begriffe in der internationaler werdenden volksrepublikanischen Gesellschaft ins Chinesische integrieren helfen. Zwei Jahre arbeiteten dutzende Linguisten aus der Akademie für Sozialwissenschaften und Redakteure des Pekinger Verlages Commercial-Press an der elften Ausgabe des Xinhua Zidian, dem "Wörterbuch des Neuen China" . Nun erschien es mit einer Startauflage von vier Millionen Exemplaren.

Jedes Schulkind seit Gründung der Volksrepublik ist mit dem heute mehr als 700 Seiten umfassenden Taschenlexikon aufgewachsen. Mit einer Gesamtauflage von mehr als 400 Millionen Exemplaren ist es nach der Bibel eines der vier weltweit bestverkauften Bücher. In ihm spiegelt sich seit seinem erstmaligen Erscheinen 1953 auch das Auf und Ab der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen der chinesischen Gesellschaft wider.

Im neuen Wörterbuch werden Begriffe auf den Kopf gestellt, die nicht mehr in die heutige Zeit passen, aus der der Gedanke an den Klassenkampf verschwunden ist. So lautete etwa der Beispielsatz für die Anwendung des Pronomen "Zanmen" (Wir allesamt) in der Ausgabe des Wörterbuchs 2004: "Wir Arme haben allesamt unser Dorf revolutioniert." 2011 heißt der Satz: "Wir sind allesamt in unserem Dorf reich geworden." Auch das Wort für Sklave (Nu) bekommt eine neue moderne Anwendung, die es schon in der chinesischen Alltagssprache hat. Unter "Fang-Nu" oder "Che-Nu" versteht das Wörterbuch "Wohnsklaven und Autosklaven" im heutigen China, die sich mit ihren Krediten so verschuldeten, dass sie zu Abzahlungssklaven wurden. Überholte Begriffe wie "Mei You" (Öl für Petroleumlampen) sind aus der Ausgabe 2011 entsorgt. Neu aufgenommen werden "Harmonie" , "Medien" , "Volkswohl" oder "Wanderarbeiter" .

Die meisten neuen Begriffe stammen aus dem Internet, wo das Wörterbuch mit dem realen Tempo, mit dem fast eine halbe Milliarde Chinesen heute online gegangen sind, nicht Schritt halten kann. Viele Begriffe, die schon zum Massensprachgebrauch gehören, müssen nun auf die nächste Ausgabe warten, von "Wei Bo" (Mikroblog) bis "Xia Zai" (herunterladen). Wörter wie Firewall oder Proxy-Server, mit denen sich die Zensur überspringen lässt, sind tabuisiert.

Dennoch springt das neue Xinhua Zidian über viele Schatten. Seit der Rückkehr Hongkongs und der Entspannung mit Taiwan holt es die dort beibehaltene traditionelle Schreibweise von Schriftzeichen nun wieder nach China zurück. In der Volksrepublik wurde die geschriebene Sprache seit 1949 radikal vereinfacht. Im neuen Wörterbuch mit seinen 13.000 Begriffen sind 1500 Zeichen auch in alter Schreibweise neu aufgenommen. "Das hilft unserem Kulturaustausch", sagt Zhou Hongbo, der Verleger des Buches. (erl/DER STANDARD, Printausgabe, 23.7.2011)