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Ludwig Adamovich sprach vor dem Innsbrucker Richter auch über Kampuschs Buch "3096 Tage". Nun publiziert er selbst eines.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Wien/Innsbruck - Vor 13 Jahren war sie die einzige Zeugin der Entführung von Natascha Kampusch. Die damals zwölfjährige A. sagte zwar gegenüber der Polizei aus, zwei Männer dabei beobachtet zu haben, wie sie die damals zehnjährige Kampusch in ein Auto zerrten, wurde aber bisher nie von der Justiz einvernommen.

Nächste Woche soll sie nun in Innsbruck vor Richter Georg Putz, der die Ermittlungen gegen fünf Staatsanwälte führt, aussagen. Unter den Beschuldigten, denen im Zusammenhang mit dem Fall Kampusch Amtsmissbrauch vorgeworfen wird, sind der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Werner Pleischl, und der Leiter der Staatsanwaltschaft Graz, Thomas Mühlbacher. Sie weisen alle Vorwürfe vehement von sich.

Pleischl und Mühlbacher verweigerten im Juni die Aussage vor dem Richter in Innsbruck, weil ihre auf mehrere Stunden anberaumte Vernehmung auf Video aufgezeichnet werden sollte. Aus Angst davor, dass verfremdete Zusammenschnitte ihrer Aussagen im Internet auftauchen könnten, reisten beide aus Innsbruck wieder ab und gaben schriftliche Erklärungen ab. Die filmische Aufzeichnung von Einvernahmen ist zwar rechtlich gedeckt, aber ungewöhnlich, es sei denn, man befragt etwa Missbrauchsopfer, Häftlinge oder Menschen, die zu krank sind, um vor den Richter zu treten.

Neben den Beschuldigten wurden wie berichtet zahlreiche Zeugen, allen voran die pensionierten Höchstrichter Johann Rzeszut und Ludwig Adamovich, einvernommen. Adamovich soll dabei auch auf Passagen in Kampuschs Buch 3096 Tage eingegangen sein, weil diese seiner Ansicht nach im Widerspruch zu ihren Aussagen gegenüber der Polizei stünden.

Alle Details, die die Zeugin A. als junges Mädchen erzählte, also Tatort, Tatzeitpunkt und das Auto Wolfgang Priklopils, stimmten mit den Fakten, die nach Kampuschs Befreiung 2006 bekannt wurden, überein. Polizeibeamte vermerkten aber schon 1998, bevor diese Details bekannt wurden, dass das Mädchen einen "absolut glaubwürdigen" Eindruck machte.

Trotzdem revidierte A. Ende 2009 bei einer polizeilichen Gegenüberstellung mit Kampusch und deren Anwalt ihre früheren Aussagen. Anwesend war damals - der Standard berichtete - der Chefermittler der Soko Kampusch, Franz Kröll, der sich Monate nach Abschluss der Ermittlungen das Leben nahm. Rzeszut und Adamovich glauben, dass der verstorbene Polizist die Ermittlungen gerne weitergeführt hätte, da er nicht glaubte, dass Priklopil ein Einzeltäter war, aber "unter Druck" gesetzt wurde.

Und auch die heute 25-jährige A. habe sich bei der Gegenüberstellung mit Kampusch eingeschüchtert gefühlt. Sie wollte Kampusch, die von einem Täter sprach, "nicht der Lüge zeihen", so Rzeszut, der die aktuellen Ermittlungen auslöste.

Autobiografie von Adamovich

Das Ermittlungsverfahren, das seit Herbst 2010 läuft, soll voraussichtlich bis Ende Juli abgeschlossen werden. Dann wandert der Akt von Richter Putz zurück an die Staatsanwaltschaft Innsbruck, die nicht selbst gegen die andere Anklagebehörde ermitteln durfte.

Adamovich erzählte dem Standard am Freitag, dass er im Oktober seine soeben fertiggestellte Autobiografie (Seifert Verlag) veröffentlichen werde. Darin soll die Causa Kampusch neben anderen Fällen, wie dem Ortstafelstreit mit dem verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider, "in vernünftiger, umfassender Weise dargestellt werden". (Colette M. Schmidt/DER STANDARD, Printausgabe, 23./24. Juli 2011)