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Auf der letzten Etappe der Tour de France pflegt man den Gesamtsieger nicht mehr zu attackieren. Also hat der Australier Cadel Evans Zeit, mit einem Schluck Sekt auf den Sieg anzustoßen. Das letzte Teilstück nach Paris gewann zum dritten Mal en suite der britische Sprinter Mark Cavendish.

Foto: Laurent Cipriani/AP

Paris - Der 34-jährige Cadel Evans gibt nicht das Bild eines typischen Australiers ab. Der Kapitän des Teams BMC Racing ist nicht laut, er wirkt zurückhaltend und auf seinen Job fokussiert. Manchmal hat er den Blick eines traurigen Clowns. Er ist kein Mann der großen Gesten, doch als er am Samstag nach dem Zeitfahren das gelbe Trikot überstreifen durfte, überkamen ihn die Emotionen. Bei seinen Danksagungen galt Evans' erster Gedanke seinem Trainer und Mentor Aldo Sassi, der im Dezember 2010 an einem Gehirntumor gestorben war. "Aldo hat vergangenes Jahr zu mir gesagt: Jetzt, wo du Weltmeister geworden bist, bist du ein kompletter Rennfahrer. Du kannst eine große Rundfahrt gewinnen, und hoffentlich ist es die Tour de France", sagte Evans. "Es wäre für ihn etwas ziemlich Großes gewesen, wenn er mich heute hätte sehen könnte."

Evans, der 2001 und 2004 die Österreichrundfahrt gewann, ist der Weg zum Tour-Sieg nicht leicht gefallen. 2007 und 2008 hatte er den großen Wurf nur knapp verpasst. Erst fehlten 23 Sekunden auf Alberto Contador, dann 58 auf Carlos Sastre. 2009 enttäuschte er. 2010 hatten ihn die Leiden der Tour im Griff. Evans brach sich bei einem Sturz den Ellbogen und quälte sich schwer gezeichnet bis nach Paris. Nun haben dem Australier seine Allrounder-Qualitäten und seine Opferbereitschaft zum Gesamterfolg verholfen. Vater Paul Evans sagte dem australischen Fernsehen, sein Sohn habe sehr viel auf sich genommen. "Er hat mir erzählt, dass nicht der physische Schmerz und das Training die größten Opfer sind. Es ist die lange Zeit weg von der Familie. Er lebt im Grunde seit 20 Jahren aus dem Koffer."

Große Anerkennung erhielt Evans von anderen australischen Radprofis. Matthew Goss twitterte, Evans habe die australische Flagge auf dem Gipfel des Mount Everest platziert. "Du bist eine Legende", schrieb Cameron Mayer. Aber auch die direkten Konkurrenten erwiesen sich als faire Verlierer. "Gratuliere Cadel, du hast es verdient. Es war eine großartige Schlacht, ich bin gespannt auf 2012", sagte Andy Schleck, der Gesamtzweiter wurde.

Daheim in Down Under schnappten sie komplett über. Ein Abgeordneter des Parlaments kam gleich auf die Idee, einen inoffiziellen nationalen Feiertag einzurichten. Eine Ehre sei das, sagte Evans. "Wenn's der Wirtschaft nicht schadet, hab ich kein Problem damit." In frühestens zwei Monaten wird Evans in seine Heimat fliegen. Ein große Siegerparade durch Melbourne ist schon geplant. In der Nähe der Hauptstadt des Bundesstaates Victoria liegt Barwon Heads, die Heimatstadt von Evans. Selbst über eine Evans-Statue macht sich Victorias Sportminister Hugh Delahunty Gedanken. Weitere Ideen sind jederzeit willkommen. (sid, red, DER STANDARD Printausgabe, 25.7.2011) 

Ergebnis 21. Etappe, Creteil - Paris (95 km): 1. Mark Cavendish (GBR) HTC-Highroad 2:27:02 Std. - 2. Edvald Boasson Hagen (NOR) Sky - 3. Andre Greipel (GER) Omega-Lotto - 4. Tyler Farrar (USA) Garmin-Cervelo - 5. Fabian Cancellara (SUI) Leopard-Trek - 6. Daniel Oss (ITA) Liquigas-Cannondale - 7. Borut Bozic (SLO) Vacansoleil - 8. Tomas Vaitkus (LIT) Astana - 9. Gerald Ciolek (GER) Quick Step - 10. Jimmy Engoulvent (FRA) Saur-Sojasun alle gl. Zeit. Weiter: 56. Cadel Evans (AUS) BMC gl Zeit; 161. Bernhard Eisel (AUT) HTC Highroad + 48 Sek.