Israels achtköpfiges inneres Kabinett beriet am Sonntag in Jerusalem darüber, ob und in welchem Wortlaut man sich vielleicht doch zu einer Entschuldigung bei der Türkei durchringen könnte. Ein Ziel beider Staaten war es gewesen, den Konflikt zu applanieren, noch ehe am Mittwoch ein Untersuchungsbericht der Uno über den blutigen Zusammenstoß mit der "Gaza-Freiheitsflotte" am 31. Mai 2010 veröffentlich wird.

Bei der Enterung des türkischen Schiffes Mavi Marmara durch israelische Soldaten waren acht Türken und ein US-Türke getötet worden. Die Kommission unter dem neuseeländischen Politiker Geoffrey Palmer wird vermutlich "unverhältnismäßige Gewalt" von israelischer Seite beanstanden, zugleich aber die Rechtmäßigkeit der Blockade des Gazastreifens bestätigen und auch das Verhalten der Türkei kritisieren.

In Israel wurde dem türkischen Premier Tayyip Erdogan vorgeworfen, er habe nun wieder den Ton verschärft. Erdogan forderte in einer Rede abermals nicht nur eine Entschuldigung und Entschädigungen für die Familien der Toten, sondern auch das Ende der Gaza-Blockade, "sonst ist nicht anzunehmen, dass es eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern geben wird" . Israels Verteidigungsminister Ehud Barak plädierte für einen Kompromiss: Außer um "die Wahrung der Ehre" gehe es auch darum, "israelische Offiziere und Soldaten vor möglichen Klagen im Ausland zu schützen" . Der rechte Flügel lehnte eine Entschuldigung weiter ab, aber Außenminister Avigdor Lieberman gab sich nicht besonders kämpferisch. "Es liegt im Interesse beider Seiten, die Beziehungen zu verbessern, der Ball ist im türkischen Feld."

Sozialer Protest wächst

Dominanter als die Nahostpolitik sind in Israel indessen soziale Turbulenzen. Aus Protest dagegen, dass Eigentums- und Mietwohnungen unerschwinglich geworden sind, haben Hunderte, meist Studenten und junge Paare, zunächst in Tel Aviv und dann auch in anderen Städten Zelte aufgeschlagen. Eine Demonstration von rund 20.000 Menschen in Tel Aviv am Samstagabend zeigte, dass die Bewegung wächst. Netanjahu, eine Zielscheibe der Kritik, schloss sich dieser am Sonntag an: "Es gibt nicht genug Wohnungen" , sagte der Premier beim Ministerrat, "weil es ein Staatsmonopol gibt, das 90 Prozent des Bodens in der Hand hat" und ihn zu langsam freigebe.

"Wenn du nicht reich bist, hast du in der Stadt keinen Platz" , steht auf einem Poster am Tel Aviver Rothschild-Boulevard. "Ich bin in einer Wohngemeinschaft mit einem Partner" , sagt Philosophiestudentin Maayan Assor, die vor einem der Zelte sitzt, "wir zahlen 800 Euro für zwei Zimmer." (Ben Segenreich aus Tel Aviv /DER STANDARD, Printausgabe, 25.7.2011)