Mit Funke sprach Saskia Jungnikl.

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STANDARD: Sie finden es ungewöhnlich, dass Norwegen Ziel eines offenbar rechtsextrem motivierten Anschlags geworden ist. Warum?

Funke: Es gibt in Norwegen rechtsextreme Tendenzen, die sich aber nie in Gewalt- und Mordtaten manifestiert haben. Es ist ein sozialliberales Land. Wie wir langsam erfahren, war der Täter ein Fanatiker, ein Exzentriker, der eine rechtsextreme und islamfeindliche Einstellung entwickelt hat.

STANDARD: Steht zuerst die Vorstellung des Amoklaufes, bevor man sich eine beliebige Ideologie aneignet, oder ist es umgekehrt?

Funke: Es ist ein Wechselverhältnis. Oft führt eine große persönliche Zerrüttung zu solch wahnhaften Ideen wie "Jeder Muslim zerstört Norwegen oder Europa" . Es ist Ausdruck einer zerstörten und zerstörerischen Persönlichkeit.

STANDARD: Wie passt es in das Bild, dass jemand mit rechtsnationalen Tendenzen Kinder aus dem eigenen Land erschießt?

Funke: Die, die einem nicht genehm sind, werden umgebracht, das war im Nationalsozialismus so. Der Täter hat geäußert, dass er nicht nur Muslime und Ausländer hasst, sondern auch Kommunisten. Es gibt oft die Verkoppelung von ethnisch-rassistischen Feindbildern und dem inneren Gegner, der beseitigt gehört. In diesem Fall die sozialdemokratische Jugend.

STANDARD: Senkt ein Erstarken der europäischen rechten Szene die Hemmschwelle für solche Taten?

Funke: Ja. Hier gilt - wenn auch indirekt - eine entsprechende Agitation, wie sie etwa von der norwegischen Fortschrittspartei angewandt wird. Es geht gegen Muslime und Migranten. Das schafft ein Milieu, und in diesem Milieu gibt es labile Täter, die dann zuschlagen. Man wird erkennen müssen, dass das Klima des Zusammenlebens versaut werden kann und dass damit Gefahren heraufbeschwört werden können. Wenn alle Fakten bekannt sind, wird man erschrocken darüber sein, was Sprüche über andere - falsch beschreibende, verurteilende, herabsetzende - auslösen können. Sie können zu einer kompakten Weltanschauung werden.

STANDARD: Muss man in nächster Zeit in Österreich, in Deutschland wachsamer sein?

Funke: Ja, vor allem wenn es kleine, einzelne Gruppen im Bereich des Rechtsextremismus gibt, die sich über die Tat positiv äußern. Gute und kreative Polizeiarbeit ist vonnöten. Und: Jeder Rechtspopulist muss sich verstärkt überlegen, ob er alle Muslime als Muslime angreift. Denn wenn man jeden Muslim als nicht zugehörig beschreibt und somit seinen Glauben denunziert, ist das eine Einladung - gerade an christliche Fundamentalisten -, sich gegen alle Muslime zu wenden.

STANDARD: Also eine Art Spirale?

Funke: Ja. Ich habe eine solche Agitation bei einer Veranstaltung von Heinz-Christian Strache erlebt, der verbal sehr auf die Muslime eingeschlagen hat. Das verändert und verschlechtert das politische Klima. Es führt natürlich nicht direkt zu einer solchen Tat, aber man ist verantwortlich für das, was man Negatives generalisierend über andere sagt. Und auch für die Auswirkungen.

STANDARD: Wie soll dem entgegengewirkt werden?

Funke: Die demokratischen Parteien müssen ihren Mund aufmachen und sich wehren. Medien müssen sich gegen Generalisierungen zur Wehr setzen - gerade dort, wo sie schleichend anfangen. Man kann Teile des Islam kritisieren. Aber jeden verdächtig zu machen, der diesem Glauben anhängt, ist gefährlich. Das kann Gewaltzyklen einleiten. Da ist die Sprache selbst gewalttätig, wenn auch nicht als Gewalttat. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.7.2011)