Oslo - Der geständige Attentäter von Norwegen Anders Behring Breivik hat sein Handeln als "grausam, aber notwendig" bezeichnet, sagte sein Anwalt am Sonntag im Fensehen. Laut Polizei versicherte der Festgenommene, Einzeltäter zu sein. Er hat demnach am Freitag durch eine Bombe in Oslo und bei einem Massaker auf der Insel Utöya insgesamt 93 Menschen getötet.
Die Polizei prüft aber weiterhin, ob bei dem Angriff auf das Ferienlager der Arbeiterpartei-Jugend ein oder mehrere Schützen geschossen haben. Am Sonntag wurden im Osten Oslos mehrere Personen festgenommen, aber bald wieder freigelassen.
Die langfristige Planung der Anschläge geht aus einem 1500-Seiten-Manifest im Internet hervor, in dem Breivik seinen Hass gegen den Islam und "Kulturbolschewisten" artikuliert. Auch Österreich kommt vor. Es wird als "strategisch militärisches Ziel" mit "hoher Priorität" genannt. Breivik bedankt sich bei seinen "Brüdern und Schwestern" aus Österreich. Danach finden sich Passagen über die Türkenbelagerung Wiens, aber auch über die österreichische Debatte um Nikolaus-Besuche in Kindergärten, was einen "Kotau vor der wachsenden muslimischen Bevölkerung" darstelle.
Anders Behring Breivik soll nach Angaben der Osloer Zeitung "Aftenposten" geplant gehabt haben, bei dem Massaker auf der Insel Utöya auch die frühere Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland zu ermorden. Das berichtete "Aftenposten" am Montag in ihrer Online-Ausgabe unter Berufung auf Polizeikreise.
Brundtland (72) ist die international bekannteste sozialdemokratische Politikerin aus Norwegen. Sie war nach mehreren Amtszeiten als Ministerpräsidentin bis 2003 Generalsekretärin der Weltgesundheitsorganisation WHO. Brundtland trat am Freitagnachmittag beim sozialdemokratischen Jugendlager auf der Insel Utöya auf, bei dem Breivik wenig später mindestens 86 Jugendliche tötete.
Breivik hatte die oft als "Landesmutter" bezeichnete Politikerin in seinem Internet-"Manifest" als "Landesmörderin" bezeichnet. Vor der Polizei gab der Attentäter nach den Angaben von "Aftenposten" an, dass er sich auf der Insel verspätet habe. Auch seine Pläne für die vorherigen Bombenexplosionen seien eigentlich umfassender gewesen.
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Der geständige Attentäter Anders Behring Breivik hat seine Taten offenbar seit fast zwei Jahren geplant. Das geht aus einem 1500 Seiten langen Manifest hervor, das im Internet auftauchte. Er hat außerdem nach eigener Aussage allein gehandelt. Laut Polizei versicherte der Festgenommene, der am Freitag in Oslo und auf der Insel Utöya 93 Menschen getötet haben soll, ein Einzeltäter zu sein.
Sein Anwalt Geir Lippestad sagte, es falle ihm schwer, die Aussagen des Attentäters bei einem mehrstündigen Polizeiverhör "vernünftig wiederzugeben" . Sein Mandant sei überzeugt, dass er "nichts Strafbares" getan habe.
Die Polizei erklärte, der 32-Jährige habe die Fakten zugegeben, jedoch "keine kriminelle Verantwortung" übernommen. Nach Angaben der Polizei handelt es sich bei Breivik um einen "christlichen Fundamentalisten" mit Kontakten zu rechtsextremen Kreisen. Der Mann will sich nach Angaben seines Anwalts bei einem Hafttermin öffentlich begründen. Sein Mandant wünsche bei dem Termin am Montag keinen Ausschluss der Öffentlichkeit. Er wolle die eigenen Motive darlegen.
Die Polizei prüft unterdessen, ob bei dem Angriff auf das Feriencamp der Arbeiterjugend "ein oder mehrere" Schützen geschossen hätten. Ein Polizeieinsatz im Osten von Oslo im Zusammenhang mit den Anschlägen ging "ohne Ergebnis" zu Ende. Mehrere kurzzeitig Festgenommene wurden nach Angaben der Polizei wieder freigelassen, nachdem es keine Hinweise auf eine Verbindung zu den Taten gegeben habe.
Breivik hatte die beiden Anschläge offenbar mit ausgeklügelter Boshaftigkeit geplant: Erst beschäftigte er alle verfügbaren Einsatzkräfte der Polizei und auch aus dem Gesundheitswesen durch die Explosion der gewaltigen 500-Kilo-Bombe im Osloer Regierungsviertel.
So konnte er knapp zwei Stunden später, noch dazu als Polizist verkleidet, im sozialdemokratischen Sommerlager auf Utöya umso ungestörter mit seinem Schnellfeuergewehr AG3 und einer Pistole wüten. Diese Gewehre sind in Norwegen nicht selten und relativ leicht zu beschaffen.
Breivik hatte auf der Insel 90 Minuten Zeit, um zu morden, bevor die Sicherheitskräfte einschreiten und den Attentäter festnehmen konnten. Für die Panne verantwortlich war der Beinahe-Untergang eines Polizeibootes und die Entscheidung, auf die Antiterroreinheit aus Oslo zu warten. Ein im benachbarten Hönefoss angefordertes Polizeischiff habe sich für den Transport der Beamten als ungeeignet erwiesen, teilte die Polizei am Sonntag mit. "Mit so vielen Menschen und Ausrüstung an Bord lief das Boot voll Wasser und der Motor setzte aus" , sagte Einsatzleiter Erik Berga.
Norwegens sozialdemokratischer Ministerpräsident Jens Stoltenberg sprach in seiner Trauerrede am Sonntag im Osloer Dom erneut von einer "nationalen Tragödie." Weinende Menschen legten vor dem Dom Blumen und Kerzen nieder; Soldaten mit schussbereiten Gewehren und kugelsicheren Westen hatten auf den Zufahrtsstraßen Stellung bezogen.
Norwegen war bisher von schweren Anschlägen verschont geblieben. Das liberale Land vergibt den Friedensnobelpreis und hat in internationalen Konflikten etwa im Nahen Osten und auf Sri Lanka vermittelt. (APA, Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 25.7.2011)