"Es ist eine Art Krieg", sagt der Traumatologe und Ethnopsychoanalytiker Klaus Ottomeyer: Die Terroranschläge in Norwegen hätten "hunderte vor allem junge Menschen schwer traumatisiert". Aus einer - wie man vor allem im sozialdemokratischen Jugendlager annehmen konnte - sicheren Situation seien die Betroffenen "durch direkte Konfrontation mit Gewalt und Tod in tiefste Verzweiflung und furchtbaren Schrecken versetzt" worden.

Dieses Erlebnis sei geeignet, einen "schlagartigen Vertrauensverlust in die Welt" auszulösen, einen psychischen Einschnitt, der manche ein Leben lang beschäftigen werde. Um die Folgen zu mildern, brauche es "langfristige, aber unaufdringliche Therapieangebote". Aber auch eine "von Mitgefühl, Entschlossenheit und Parteilichkeit geprägte Reaktion der Gesellschaft" - von Verwandten und Freunden ebenso wie von den handelnden Politikern.

Laut dem Professor für Sozialpsychologie an der Uni Klagenfurt hat Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg diesbezüglich bisher richtig reagiert. Sein in Gesprächen mit Überlebenden des Massakers auf der Insel Utöya gezeigtes Mitgefühl, gepaart mit seiner Ankündigung, weiterhin auf Demokratie und offene Gesellschaft setzen zu wollen, gebe den Betroffenen eine Richtung vor: ein wichtiger Bewältigungsfaktor.

Frage nach dem Sinn 

Denn ein Trauma sei umso tiefer, je weniger "Sinn" den schrecklichen Erlebnissen im Nachhinein zuerkannt werden könne, weiß Ottomeyer, der als Vorstand des Kärntner Vereins Aspis nach Österreich geflohene Kriegs- und Folterüberlebende und slowenische Naziopfer therapiert. "Schon bei KZ-Überlebenden hat sich gezeigt, dass Sozialdemokraten, Kommunisten oder auch Zeugen Jehovas, die wegen ihres Weltbilds oder Glaubens eingesperrt wurden, weniger rasch zerbrachen als jene, die keine Erklärung für ihre Haft hatten."

Seinen norwegischen Berufskollegen rät Ottomeyer - der kürzlich sein neues Buch Die Behandlung der Opfer - über den Umgang mit dem Trauma der Flüchtlinge und Verfolgten veröffentlicht hat -, den Überlebenden Therapieangebote ohne Zwang zu unterbreiten: "Nicht jeder will oder kann sofort reden." Auch Trauerrituale seien wichtig, von Blumenniederlegungen hin zu Offiziellerem: "Auf Utöya sollte man eine Gedenkstätte bauen."

Und natürlich müsse es "Gerechtigkeit" im politischen Diskurs geben, indem Inhalten, wie sie der Attentäter vertritt, entschlossen entgegengetreten werde. "Verhetzung muss geahndet werden", meint Ottomeyer. (Irene Brickner /DER STANDARD, Printausgabe, 25.7.2011)