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Das Haarproblem ist für Frauen mit dem PCOS eine große psychische Belastung.

Weit verbreitet, aber wenig bekannt: Das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS). Allein in Österreich sind zwischen zehn und zwanzig Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter davon betroffen. Wodurch die endokrinologische Erkrankung im Detail ausgelöst wird, darüber herrscht immer noch Unklarheit. Die familiäre Häufung von PCOS-Fällen lässt aber einen genetischen Hintergrund vermuten. Und eine bestehende Adipositas scheint die Erkrankung zu triggern.

Zyklusunregelmäßigkeiten, zu viele männliche Geschlechtshormone (Hyperandrogenämie) im Blut und Eierstöcke, die haufenweise Zysten ausbilden (polyzystisches Ovar) sind typisch für das polyzystische Ovarialsyndrom. Den männlichen Hormonen haben viele erkrankte Frauen Akne, einen männliches Behaarungsmuster mit Bartwuchs und Glatzenbildung, und eine tiefere Stimmlage zu verdanken. „Man muss aber keine polyzystischen Ovarien besitzen, um ein polyzystische Ovarialsyndrom zu haben", erklärt Barbara Obermayer-Pietsch von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität in Graz und ergänzt, dass auch die Erfüllung der beiden anderen Kriterien für die Diagnose PCOS ausreicht.

Fehlende Eizellreifung

Viele der betroffenen Frauen haben keine Regelblutungen mehr oder aber einen deutlich verlängerten Menstruationszyklus. Ursache dafür ist eine Reifungsstörung der Eizelle, die ebenfalls durch den erhöhten Androgenspiegel verursacht wird. Der Eisprung bleibt aus, die heranwachsenden Eizellen verkümmern und zurück bleiben „Zysten". "Eigentlich sind es keine Zysten, sondern Follikel mit Eizellen drinnen", erklärt Gernot Tews, Leiter des Kinderwunschzentrums an der Landesklinik Linz und hält die Bezeichnung "Polyfollikuläres-Ovarialsyndrom" für passender. Die kleinen Pseudozysten sind perlschnurartig an den Eierstöcken aufgefädelt und im Ultraschall leicht zu erkennen. Vom PCOS-Syndrom sprechen Experten aber erst dann, wenn ein Eierstock mindestens zehn Milliliter Volumen hat und sich wenigstens zwölf Eibläschen zwischen zwei und neun Millimeter Größe darin befinden.

Die Konsequenz der fehlenden Eizellreifung ist denkbar logisch: Die Patientinnen leiden oft unter einem unerfüllten Kinderwunsch. Im Kinderwunschzentrum in Linz lässt rund ein Viertel der Patientinnen mit PCOS die Unfruchtbarkeit behandeln. Vorweg wird zwischen dieser Erkrankung und einem isolierten Auftreten polyfollikulärer Ovarien unterschieden. Bei letzteren wird mit Follikel-anregenden Hormonen (FSH) versuchsweise nachgeholfen. „Es gibt aber immer wieder Fälle, wo trotz geringer Dosis entweder zu viele Eibläschen heranwachsen oder gar keine", klärt Tews über die Schwierigkeiten dieser Behandlung auf. Fingerspitzengefühl ist also gefragt, da die Eierstöcke auf dieses Glykoprotein sehr empfindlich reagieren.

Steckt hinter dem unerfüllten Kinderwunsch ein polyzystisches Ovarialsyndrom, dann steht die Verdrängung der männlichen Hormone und die Regulierung des Zyklus mit Hilfe einer antiandrogenen Antibaby-Pille im Vordergrund. Die wieder eintretende regelmäßige Blutung beugt einer dauerhaften Verdickung der Gebärmutterschleimhaut vor. Im Anschluß folgt meist eine medikamentöse Unterdrückung der Östrogenproduktion. Damit wird die Eizellreifung stimuliert und der Eisprung ausgelöst. Jetzt kann eine künstliche Befruchtung folgen. Hier ist besondere Vorsicht geboten. "Es gilt, eine Überstimulation (OHSS) zu vermeiden. Denn dann können die polyzystischen Ovarien auf Orangengröße anwachsen und einreißen", betont der Experte.

Hormoneller Teufelskreis

Aber nicht nur der unerfüllte Kinderwunsch, auch eine erhöhtes metabolisches Risiko kann Frauen mit PCOS, zu schaffen machen. "Die Hälfte aller Patientinnen ist adipös und viele Betroffene entwickeln eine Insulinresistenz beziehungsweise einen Diabetes mellitus Typ II", berichtet die Expertin für Endokrinologie aus Graz. Umgekehrt gibt es auch Hinweise darauf, dass die Insulinresistenz möglicherweise überhaupt erst der Grund für die Entstehung eines polyzystischen Ovarialsyndroms ist. Zwei französische Ärzte haben den Zusammenhang zwischen dem Kohlenhydratwechsel und der Hyperandrogenämie bereits 1921 erkannt und das Krankheitsbild als „Diabetes der bärtigen Frauen" bezeichnet.

Die Insulinresistenz bringt Frauen mit dem PCOS in einen hormonellen Teufelskreis. Die kompensatorisch erhöhte Insulinfreisetzung verstärkt nämlich noch die Hyperandrogenämie, einerseits durch eine gesteigerte ovarielle Androgenproduktion und andererseits durch vermehrte LH (luteinisierendes Hormon)-Freisetzung in der Hypophyse, die in den Eierstöcken ebenfalls zu einer gesteigerten Hormonproduktion führt.

"Schon mit einer Gewichtsabnahme von fünf bis zehn Prozent normalisiert sich der Stoffwechsel", beschreibt Obermayer-Pietsch, wie sich eventuell auch die Funktion der Eierstöcke wieder normalisieren lässt. Mit der Lebensstiländerung erfüllt sich unter Umständen dann auch der Kinderwunsch und das kardiovaskuläre Risiko reduziert sich natürlich auch.

Was trotz aller therapeutischen Maßnahmen manchmal bleibt, ist der Hirsutismus. Haare am Rücken oder im Gesicht sind für viele betroffene Frauen Grund für sozialen Rückzug und Auslöser von Depressionen. In Deutschland haben sich PCOS-Selbsthilfegruppen bereits etabliert. In Österreich wird erst nach und nach über die Erkrankung gesprochen. Obermayer-Pietsch zeigt sich jedoch zuversichtlich, dass das Thema auch hierzulande enttabuisiert wird. (derStandard.at, 25.07.2011)