Helsinki/Wien - PISA-Musterschüler Finnland wird in der Debatte um eine Reform der Pädagogen-Ausbildung in Österreich immer wieder als Vorbild genannt. Die Rektoren der Unis, die derzeit jeden zum Lehramtsstudium zulassen müssen, wollen wie auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl vor allem die strenge Selektion von Studenten übernehmen. Diese ist auch aus Sicht finnischer Bildungsexperten einer der Faktoren für das gute Abschneiden bei internationalen Bildungsvergleichen - neben der Ausbildung an den Unis und dem hohen Prestige des Berufs.
Im Sommer 2010 gab es 6.600 Bewerber für die Lehrerausbildung, nur 660 wurden bei den Aufnahmetests ausgewählt. "Es ist einer der beliebtesten Berufe, jeder fünfte Schulabsolvent will Lehrer werden. Es ist leichter Arzt oder Anwalt zu werden", sagt Pasi Sahlberg, finnischer Bildungsexperte, bei einem Gespräch mit Journalisten.
Unterschiedliche Aufnahmeverfahren
Die Aufnahmeverfahren sind je nach angestrebtem Lehramt unterschiedlich. Für Kindergartenpädagogen und Klassenlehrer für die erste bis sechste Klasse besteht das Verfahren aus einem schriftlichen Test, einem Test zur beruflichen Eignung und einem persönlichen Gespräch. Fachlehrer müssen sich einerseits für das jeweilige Fachstudium und separat für die Lehrerausbildung bewerben, wobei neben einem Eignungstest auch die Noten berücksichtigt werden können. Um mit Schülern mit besonderen Bedürfnissen arbeiten zu können, muss man bereits ausgebildeter Klassenlehrer sein und für diese Zusatzqualifikation ebenfalls eine Aufnahmeprüfung machen.
Zum Vergleich: In Österreich gibt es derzeit Aufnahmeprüfungen an den Pädagogischen Hochschulen (PH), wo die Lehrer für Volks-, Haupt-, Sonder, Berufs- und Polytechnische Schulen ausgebildet werden. Für die Lehramtsstudien für AHS und berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMHS) an den Universitäten gibt es keinerlei spezielle Aufnahmekriterien. Andreas Schnider, Ex-VP-Bundesrat und Leiter der für die Empfehlungen zur neuen Pädagogen-Ausbildung zuständigen Arbeitsgruppe, hat das wiederholt kritisiert. Das Fehlen von Eignungstests an den Unis habe nämlich zur Folge, dass von den PH abgelehnte Interessenten für den Lehrerberuf sich einfach an der Uni ausbilden lassen.
Finnische Ausbildung dauert bis zu sechs Jahre
Künftig soll es laut den Empfehlungen in Österreich ebenfalls Eignungsverfahren für alle Pädagogen geben, allerdings nicht vor Beginn des Studiums sondern im Laufe der ersten beiden Semester.
Wer in Finnland das Aufnahmeverfahren geschafft hat, hat eine lange Lehrzeit vor sich: Mit der Umstellung auf das System der Gesamtschule in den 1970ern wurde auch die Ausbildung reformiert: Seit damals sind allein die Unis zuständig: Klassenlehrer besuchen sie fünf, Fachlehrer fünf bis sechs Jahre (beide Masterabschluss) und Kindergartenpädagogen drei Jahre (seit 1995 an den Unis; Bachelorabschluss). Davor gab es wie in Österreich eine getrennte Ausbildung für Volksschullehrer an Akademien und für Fachlehrer an den Unis.
Verpflichtende Fort- und Weiterbildung gibt es in Finnland nicht, laut Bildungsgewerkschafter Arra wird diese den Lehrern sogar erschwert. Es sei nicht gerne gesehen, wenn Lehrer unter dem Schuljahr deswegen vertreten werden müssen. Die Kommunen - in Finnland für Schulbau, -erhalt und Personalkosten zuständig - sind außerdem nicht verpflichtet, solche Qualifizierungsmaßnahmen zu finanzieren. Die Folge: Lehrer mit Interesse an Fortbildung machen das auf eigene Kosten im Sommer. (APA)