Eine Rundmail des stellvertretenden Chefredakteurs von ORF Niederösterreich Robert Ziegler hat für Aufregung gesorgt. Wie Der Standard berichtet, schreibt Ziegler, man solle doch den Attentäter von Oslo nicht als "christlichen Fundamentalisten" bezeichnen. "Christlich" und Massenmord, das passe vielen nicht ins Weltbild, also sollte man es auch nicht schreiben. Interessant zu sehen, wie wenig hier die eigene Rolle als Medienmacher reflektiert wird. Mag schon sein, dass Ziegler (und mit ihm viele andere) einen "deutlichen Widerspruch" empfinden, wenn sie das Wort "christlich" und "Massenmord" in einem Atemzug hören. Dass "christlich" und "Massenmord" bisher noch nie gemeinsam vorkamen, wird aber auch niemand so schnell behaupten.

Die Bilder in unseren Köpfen sind stark medial geprägt. Die wenigsten von uns waren in Somalia. Wenn wir aber an Somalia denken, haben wir ein bestimmtes Bild im Kopf. Dieses Bild stammt aus den Medien. Beim "Terrorismus" ist das ähnlich. Die wenigsten haben eigene Erfahrungen gemacht. Kaum jemand kennt Terroristen oder hat mit ihnen gesprochen. Und dennoch haben wir ein vermeintlich klares, stark medial geprägtes Bild von diesen Menschen in den Köpfen. Wer widerspricht heute noch, wenn man behauptet, dass es meistens "radikale Islamisten" sind, die irgendwo irgendwas sprengen? Ganz so einfach ist das nicht, zumindest nicht in unserer unmittelbaren Umgebung. Laut einem Europol-Bericht gab es 2010 249 Terroranschläge in der EU. Drei davon hatten islamischen Hintergrund, der Rest (also 98,8 Prozent, für Menschen die Zahlen gerne mögen) nicht.

Die Mail des Vize-Chefredakteurs von ORF Niederösterreich hat aber noch ein paar andere interessante Punkte: Ziegler bezeichnet den Oslo-Attentäter als "unchristlich agierenden Mann". Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es stimmt natürlich, dass das Christentum nicht zum Terror aufruft. Wo bleiben aber die Sensibilität und der Respekt anderen Glaubensrichtungen gegenüber? Wer entscheidet in der medialen Debatte, was "christlich", "islamisch" oder "jüdisch" ist und was nicht? Und ist es "islamisch", wenn ein Moslem einen Terrorakt begeht?

"Hier sollten wir besonders sensibel vorgehen", schreibt Ziegler. In einem Gespräch mit derStandard.at betont er auch, dass es ihm "immer um einen sensiblen Umgang mit der Sprache" gehe. Diesen guten Vorsatz wollen wir Robert Ziegler und anderen JournalistInnen nicht absprechen. Überraschend ist aber trotzdem, dass wenn Terrorismus im Zusammenhang mit dem Christentum auftaucht, explizit Sensibilität gefragt ist. Wenn stattdessen der Islam herhalten muss, ist von dem sensiblen Umgang in den österreichischen Medien kaum etwas zu spüren. Wie oft waren in den letzten Jahren die Wörter "islamischer Terrorist" (oder eine Abwandlung davon) zu lesen und zu hören?

Ein trauriges Fakt ist, dass mittlerweile der Islam per se mit Terrorismus in Verbindung gebracht wird. Die meisten Medien haben bereits in den ersten Minuten nach den Vorfällen in Norwegen „intuitiv" auf Al Qaida spekuliert. Nicht wenige gläubige Muslime berichten davon, dass sie Erklärungen, gar Rechtfertigungen parat haben müssen, wenn irgendwo ein "Islamist" einen Terrorakt begeht. Wie empfände das wohl so der Durchschnittschrist, wenn man ihn zurzeit fragt, was denn mit seiner Religion nicht stimmt? Ganz recht. Sensibilität ist gefragt!

Prinzipiell hat Robert Ziegler natürlich Recht. Nur weil einer gleichzeitig gläubig ist und eine Bombe zündet, heißt das noch lange nicht, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt. Außerdem kann man von religiösen Splittergruppen oder fanatischen Einzeltätern nicht auf eine allgemein übliche Praxis in einer Religionsgemeinschaft schließen. Daher sollte man generell mit Adjektiven wie "christlich", "islamisch" etc. sparsam umgehen, um keine falschen Bilder zu konstruieren. Jedenfalls so lange bis nicht klar ist, dass eine Tat eindeutig bzw. ausschließlich religiös motiviert ist, sollte man diese Bezeichnung in der Berichterstattung weglassen. Aber dann doch bitte bei allen Glaubensbekenntnissen. (Yilmaz Gülüm und Olivera Stajić, 26. Juli 2011, daStandard.at)