Geschäfte mit rezeptpflichtigen Medikamenten sind geschützt. An Öffnungszeiten wird gerüttelt.

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Wien - Der Kampf einzelner Wiener Apotheker gegen die restriktiven Öffnungszeiten findet im Einzelhandel Widerhall. Die verkrusteten Strukturen in der Branche gehörten schleunigst überdacht, rät Stephan Mayer-Heinisch, der Präsident des Handelsverbands.

Schützenhilfe gibt den Rebellen Richard Lugner, der sich auch für den offenen Sonntag starkmacht. Er kämpft bereits seit Jahren vergeblich um eine Apotheke in seiner Wiener Lugner City, blitzte jedoch bei der Kammer stets ab: Das Netz der umliegenden Apotheken sei dicht genug, es gebe keinen Bedarf für weitere Pharmazeuten.

Drei Ordner voll mit Schriftverkehr rund um Apotheken habe er, erzählt Lugner, selbstverständlich unterstütze er das vereinzelte Begehren der Branche, am Samstagnachmittag offenhalten zu dürfen. Schließlich setze der wahre Kundenansturm nach 14 Uhr ein. Sein Ringen um eine Apotheke werde einfacher. "Die EU mag keine Monopole. Der Gebietsschutz in Österreich wird irgendwann fallen."

Handelsobman Fritz Aichinger will Apotheken keine Ratschläge erteilen. Da viele über umfassende Sortimente verfügten, die weit über Medikamente hinausgingen, sei es aber verständlich, dass einzelne länger aufsperren wollten.

Wie berichtet, halten sich nicht alle Apotheker an die vom Wiener Magistrat vorgegebene Ladenöffnung. Folge sind Anzeigen, Verwaltungsstrafen und Disziplinarverfahren. Zwei prüfen nun einen Gang an den Verfassungsgerichtshof. Lugner half einem mit Tipps zu entsprechenden Anwälten. In der Apothekerkammer brodelt das Thema seit vielen Monaten. Die Protagonisten wollen vorerst aber noch die Verbandswahlen im September abwarten, bei der die Karten neu verteilt werden könnten.

Keine mehrheitsfähigen Lösungen

"Es gibt partielle Lösungen, aber noch keine mehrheitsfähige", sagt Rainer Prinz, Jurist in der Apothekerkammer, "es muss gemeinsam der größtmögliche Nenner gefunden werden". Darüber hinaus wolle Wien Erfahrungen aus den neuen Modellen in Graz sammeln, die nun auch in Linz Schule machen.

Dortige Apotheken dürfen acht Stunden zusätzlich offenhalten, individuell je nach Bedarf. Das gilt als Bereitschaftsdienst bei offener Apotheke - Kunden zahlen keine Zuschläge. Dass sich vor allem am Land viel im gesetzlichen Graubereich abspiele, weist Prinz zurück. Entscheidend sei es, die längere Ladenöffnung unter einen Hut mit verpflichtenden Not- und Bereitschaftsdiensten zu bringen: Eines dürfe dem anderen nicht Konkurrenz machen. "Man kann sich nicht nur die Zuckerln rausholen."

Dass er seinen Kollegen Samstagnachmittag Geschäft wegnimmt, glaubt Martin Derflinger von der Apotheke am Wiener Graben nicht: Er verkaufe in dieser Zeit kaum rezeptpflichtige Medikamente. Und seine Mitarbeiter rissen sich um die Dienste, die er mit 1,75-facher Freizeit abgelte.

Für den Wiener Apotheker Herbert Baldia ist die Frage nach dem offenen Samstagnachmittag keine finanzielle: Das größte Hindernis für längere Ladenöffnung sei der enorme Mangel an Pharmazeuten. "Wir müssen schließlich auch alle Randzeiten mit Akademikern abdecken."(Verena Kainrath, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 27.7.2011)