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Geir Lippestad verteidigt den Attentäter von Oslo und Utöya.

Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay

In einem Rechtsstaat haben selbst Massenmörder das Recht auf Verteidigung. Geir Lippestad wird als Verteidiger von Anders Behring Breivik unfreiwillig zum Sprecher des Schlächters von Utöya. Dennoch wird seine Arbeit auch von empörten Norwegern respektiert.

Der norwegische Strafverteidiger hätte sich vor einer Woche, noch im Urlaub, nicht vorstellen können, in welch sonderbare Lage er geraten würde. Mitten im Zorn seiner Landsleute und dem wachsamen Auge der Weltöffentlichkeit verteidigt der 47-Jährige nicht nur das menschlich Unmögliche.

Unfreiwillig ist er zum Sprecher des rechtsextremen Breivik geworden. Er musste jene drei - inzwischen weltweit bekannten - Worte sagen: Sein Mandat halte den Massenmord für "scheußlich, aber notwendig". Breivik, der mit seiner Bluttat vor allem Aufmerksamkeit für seine politischen Ideen haben wollte und bekam, hätte lieber für sich selbst gesprochen. Aber die Justiz will ihm nicht die Plattform geben, um seine Ideen zu verbreiten. Seinem Anwalt gelingt unterdessen der Spagat, ihm ein fairer Rechtsvertreter zu sein, ohne dessen Propaganda in die Welt zu tragen.

Lippestad ist der selbstbewusste Eigentümer einer angesehenen Anwaltskanzlei. Er hat das Renommee, Breivik gegen den Rest Norwegens zu verteidigen.

Bereits einmal stand der Jurist im Rampenlicht des Bösen. Als er im Jahr 2002 zwei Neonazis der Gruppe BootBoys für die Ermordung des 15-jährigen norwegisch-afrikanischen Jungen Benjamin Hermansen verteidigte, fanden im ganzen Land Fackelzüge gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit statt.

Allein in Oslo protestierten 40.000 Menschen. Zu Lippestads Beruf gehört es inzwischen, manchmal auch unangenehme Drohbriefe zu erhalten oder im kleinen Oslo auf der Straße als Naziverteidiger angepöbelt zu werden.

Aber sogar die meisten Wütenden der mehr als 60.000 Mitglieder zählenden norwegischen Facebookseite "We hate you Anders Behring Breivik" drücken dort Verständnis für den Anwalt aus. Hasstiraden gibt es dort keine gegen ihn. Trotz der Anonymität, die Facebook bietet.

Jemand müsse "selbst Schweine" verteidigen im Rechtsstaat, heißt es da. Ein Mitglied der Gruppe, Heidi Leif Magnus, schreibt treffend, dass es ja eigentlich Lippested ist, der die durch die Bluttat erschütterten demokratischen, humanen Werte Norwegens derzeit verteidigt. (André Anwar, STANDARD-Printausgabe, 27.7.2011)