Damaskus/Kairo/Istanbul - Syrische Sicherheitskräfte haben am Mittwoch in der Vorstadt Kanaker bei Damaskus einen Protest gegen das Regime niedergeschlagen und dabei mindestens acht Menschen getötet, unter ihnen einen elfjährigen Buben. Die Militäreinheiten wurden dabei von der bewaffneten Pro-Regime-Miliz Shahiba unterstützt, berichteten syrische Aktivisten. Dutzende Menschen seien außerdem verletzt worden. Medizinische Versorgung sei ihnen verwehrt worden. Rund 300 Kundgebungsteilnehmer wurden festgenommen.
Das Vorgehen der Sicherheitskräfte sei ein "Racheakt", da die Stadt mit ihren 25.000 Einwohnern eine wichtige Rolle bei der Versorgung der vom Wasser- und Stromnetz abgeschnittenen Stadt Daraa gespielt habe. Das berichtete der Aktivist Ammar Kurabi. In Daraa im Süden des Landes hatte die Protestbewegung gegen Präsident Bashar al-Assad Mitte März ihren Anfang genommen.
Steine auf Panzer
Die Menschen in Kanaker hätten Steine auf die Panzer geworfen und Straßen mit brennenden Autoreifen blockiert, um ein Vorrücken der Sicherheitskräfte zu verhindern, teilte die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. An mehreren Stellen der Stadt hätten sich Panzer positioniert; vielerorts seien die Sicherheitskräfte mit Unterstützung eines Bulldozers vorgerückt. Die Moscheen seien zu Krankenhäusern umfunktioniert worden, erklärte die Nichtregierungsorganisation. Sie befürchtete zudem eine weitere Militäraktion in Barsa, einem Stadtteil von Damaskus. Dorthin sei am Mittwoch ein Konvoi aus 14 Fahrzeugen mit bewaffneten Männern gefahren.
Seit mehr als vier Monaten demonstriert die Bevölkerung nun gegen das Regime. Ihre Forderungen nach politischen Reformen wurden von der Führung des Landes mit äußerster Brutalität beantwortet. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen kamen dabei fast 1500 Zivilisten ums Leben. Inzwischen fordern die Bürger auf ihren Kundgebungen den Rücktritt des Assad-Regimes.
Die Regierung in Damaskus legte indes den Entwurf eines neuen Wahlgesetzes vor. Dieses sieht die Überwachung künftiger Parlamentswahlen durch ein Hohe-Richter-Komitee anstatt wie bisher durch das Innenministerium vor. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana am Mittwoch. Erst zu Wochenbeginn hatte das Kabinett ein neues Parteiengesetz erlassen.
Oppositionelle halten jedoch diese Schritte für ungenügend und verspätet. Das Assad-Regime werde weiterhin mit Hilfe von "Gummiparagraphen", die in diesen Gesetzen enthalten seien, über Wasser gehalten. Zudem kontrolliere und manipuliere Assad mit dem Einsatz der staatlichen Machtorgane und Geheimdienste die politischen Prozesse im Lande, argumentieren sie.
In der türkischen Metropole Istanbul kamen indes erneut syrische Oppositionelle zu Beratungen zusammen. Im Zentrum des viertägigen Treffens mit rund 200 Teilnehmern stand die Aufgabe, die einzelnen Widerstandsbewegungen gegen Assad zu vereinen. Seit dem Beginn der Protestbewegung im März kamen nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mehr als 1400 Zivilisten in Syrien ums Leben. Mehr als 12.000 Menschen wurden festgenommen; tausende weitere flüchteten über die Grenze in die Türkei oder den Libanon. (APA)