Seit August 1998 tobt ein Bürgerkrieg in der demokratischen Republik Kongo, der von Zeit zu Zeit die Ausmaße eines Völkermords annimmt. Es ist der blutigste Konflikt der Gegenwart, die Zahl der Opfer kann nur geschätzt werden, pendelt aber zwischen zwei und dreieinhalb Millionen Menschen. Und wir haben uns daran gewöhnt, so gut sind wir im Verdrängen.

Anders als 1994 in Ruanda, als binnen zehn Wochen rund 800.000 Tutsis und moderate Hutus von verhetzten, der damaligen Regierung gehorchenden Hutu-Milizen abgeschlachtet wurden, dauert der Krieg im Kongo einfach zu lange, um weltweit medial die gebührende Beachtung zu finden. Außerdem, und das kann man ohne Zynismus feststellen, interessieren Kriege in Afrika die westliche Welt ohnehin nur peripher.

Hätte ein Krieg am Balkan oder sonstwo in der westlichen Welt eine ähnliche Opferzahl gefordert, die UNO stünde Gewehr bei Fuß, Blauhelme oder andere Eingreiftruppen - vielleicht sogar mit "robustem Auftrag" - würden in Regimentsstärken Frieden schaffen und diesen dann sichern. Löbliche Stabilitätspakte gepaart mit satter Wirtschaftshilfe würden nach Beendigung des Krieges über die Staaten hereinbrechen, alles, um den Frieden zu bewahren.

Doch bei Kriegen auf dem afrikanischen Kontinent ist alles anders. Die UNO entsendet 625 Blauhelme aus Uruguay in den Nordkongo, hat aber rund 25.000 Mann im Kosovo stationiert, der 215-mal kleiner als der riesige afrikanische Staat ist. Dabei gäbe es für die westlichen Industrienationen im Kongo an Rohstoffen wesentlich mehr als beispielsweise am Balkan zu holen. Unsere Blindheit hat kaum wirtschaftliche Hintergründe.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Was Afrika und seine Konflikte angeht, wird im Vergleich zur übrigen Welt immer noch mit zweierlei Maß gemessen. (DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.5.2003)