Cornelia Niedermeier

Graz - Ungewöhnliches offeriert dieser Tage die Karte des Café Promenade unterm grünen Blätterdach des Grazer Stadtparks: Etwa "Henri Michaux, Ideogramme in China. Essay, Deutsche Erstausgabe 1994". - "Ihr Kellner", so vermerkt höflich jede Seite, "serviert Ihnen dieses Buch gerne." So edel die Auswahl, so reichhaltig ist das Angebot.

Rund 530 Titel umfasst das bibliophile Menü. Nicht ganz zufällig sind das sämtliche Bücher, die der Grazer Droschl Verlag seit seiner Gründung vor 25 Jahren herausgebracht hat. Zuverlässig etwa 20 sorgsam gewählte, sorgfältig edierte Titel im Jahr. Bis auf drei sind sie alle bestellbar - in der Buchhandlung wie im Café Droschl, mit dem der Verlag zum Zwecke des Feierns die Räume des Promenade bis Mitte Juni in eine literarische Arche Noah der - nicht nur - österreichischen Literatur verwandelt.

Max Droschl ist die Gabe höchst eigen, eine angenehme Atmosphäre um sich zu schaffen. Was übrigens bereits Ende der Siebziger nicht anders gewesen zu sein scheint, als der gelernte Wirtschaftsingenieur abends, nach der Arbeit, in seine ambitionierte Galerie Alberstraße lud.

Weshalb das genussfreudige Publikum kam und trank und tratschte, statt der ausgestellten Kunst die ungeteilte Aufmerksamkeit zu zollen. Der Galerist aber, der nach dem Vorbild der Schweizer Galerie Maeght anspruchsvolle Kataloge gestaltete, indem er Autoren um Texte zu den Abbildungen bat - Peter Turrini zu Adolf Frohner, Friedrich Achleitner zu Karl Prantl -, der Galerist entdeckte via Katalog die Lust am schönen Buchmachen.

Und weil Graz, die Stadt der jungen Literatur, der Grazer Autorenversammlung, der manuskripte, des Forum Stadtpark, weil Graz zum literarischen Aufbruch just der Verlag fehlte, wurde Max Droschl, der kunst-innige Herr Ingenieur, Verleger. Das war 1978. Ein Jahr später holte er Rainer Götz auf das Bücherschiff, der bis heute als Lektor wesentlich die kompromisslose Linie des Droschl Verlags mitverantwortet.

Gemeinsam stemmten sie ein Programm aus dem Nichts, das nach herkömmlichem Verlagskalkül so schlicht nicht existieren dürfte: Nicht ein Titel äugt nach dem finanziellen Gewinn. Ökonomische Schlüsselbegriffe der Verlagsbranche wie Mischkalkulation sind dem Liebhaber aus der Alberstraße fern. 530 von 530 Mal stand die Liebe zur Sprache, die Liebe zur Literatur bei der Buchtaufe Patin. Weshalb sich das Verzeichnis des Droschl Verlags heute liest wie ein Who's who der österreichischen Literatur. Wolfgang Bauer und Bernhard Hüttenegger machten 1980 den Anfang. Bald folgten H. C. Artmann, Helmut Eisendle, Gert Hofmann, Friederike Mayröcker, Reinhard Priessnitz. Später Antonio Fian, Bodo Hell, Anselm Glück und Gert Jonke sowie Werner Schwab. Später vermehrt auch Autorinnen: Bettina Balàka, Helga Glantschnig, Rosa Pock.

Ein programmatischer Purismus, der seine Existenz nicht zuletzt Maximilian Droschls finanziellem Idealismus verdankt: Zehn Jahre lang, bis 1988, führte er, mithilfe von Rainer Götz, den Verlag im Nebenberuf. Nach und nach erst begann sich die Unternehmung zu tragen - nicht zuletzt dank der wachsenden Backlist: Über 50 Prozent des Jahresumsatzes erzielt Droschl heute aus früheren Titeln - und folgt damit den Spuren aller erfolgreichen Literaturverlage. Deren "Geheimnis" bestand von jeher im langfristigen Vertrauen auf ihre Autoren - ein Denken, das den auf raschen Gewinn kalkulierenden Großverlagen und ihren für fünf Jahre bestellten Managern schmerzlich fehlt.


Respekt, praktisch

Droschl vertraut nicht allein auf seine Autoren - im Unterschied zu manch anderem Kollegen drückt der studierte Ökonom seinen Respekt auch praktisch aus. Mit einer innerhalb der Verlagsbranche unüblichen Fairness beteiligt er die Künstler nicht am Betriebsrisiko: Sie erhalten ihr Honorar nach Abgabe vollständig ausbezahlt.

Kaum je erklingen denn auch Misstöne aus dem Umfeld des pragmatischen Idealisten. Stattdessen erweiterte der Verlag Jahr für Jahr in ruhiger Regelmäßigkeit sein Programm: Noch immer gilt das Hauptinteresse der Grazer der Entdeckung - und anschließenden Förderung - literarischer Talente deutscher Sprache. Hinzu kamen Ende der Achtzigerjahre die Übersetzungen ausgesuchter Autoren wie Andrea Zanzotto, Henri Michaux, Paul Bowles oder Bora Cosic.


edition neue texte

Anfang der Neunzigerjahre übernahm Droschl die in Konkurs gegangene edition neue texte von Heimrad Bäcker. Die Dossier-Reihe wurde ebenso gegründet wie jene mit einzelveröffentlichten Essays - Letztere der überraschende Verkaufsschlager des Droschl Verlags in Deutschland. Der, auch das eher unüblich, rund 70 Prozent des Umsatzes außerhalb Österreichs macht.

Parallel zu den Uraufführungen von Texten zweier seiner Autoren im Rahmen von Graz 2003 - Gert Jonkes Chorphantasie und Anselm Glücks innerhalb des gefrierpunktes - feiert Droschl im gleichnamigen Café das Jubiläum nun als Zäsur: Die Werkschau markiert zugleich den Abschluss einer, sagen wir es mit dem würdigen Pathos: Ära.

Max Droschl übergibt die Geschicke des Verlags an seine Tochter Annette Knoch. Knoch, studierte Germanistin und Kunsthistorikerin, einst im Hamburger Literaturhaus tätig und seit langem in die Verlagsarbeit integriert, verantwortet inoffiziell das Programm bereits seit zwei Jahren mit.

Künftig will Max Droschl aber auch offiziell in den Hintergrund treten, seine Unterstützung auf die tägliche Basisarbeit - Rechnungen schreiben, Packerln machen - beschränken. Um die gewonnene Zeit der nächsten Liebhaberei in Sachen Buch zu widmen: Dem Handel mit Werken ab 1945 und mit Autografen. Ihr Verleger serviert Ihnen diese Schätze gerne.
Café Droschl im Grazer Café
Promenade bis 15. Juni, täglich
von 8.00-24.00 Uhr. Veranstal-
tungen sonntags, 20.00 Uhr.