Dieter Bogner, vielen noch aus seiner Zeit der Museumsquartier-Errichtungsgesellschaft in Erinnerung, ist heute international als Museumsplaner tätig. Zuletzt hat er die Neugestaltung des steirischen Landesmuseums Joanneum konzipiert, das insgesamt 17 Sammlungen beherbergt.

Nach langjährigen inhaltlichen und budgetären Diskussionen entschied man sich 1997 für Bogners Masterplan, der eine Gliederung des Universalmuseums in fünf Departements vorsieht. Auf den Umbau der Neuen Galerie folgte - nach sechzehnjähriger Schließung - die Eröffnung des Grazer Volkskundemuseums (s. S. A1) und im Herbst soll das Kunsthaus fertig sein. Bis 2011 sollen alle Museen saniert sein.

Das Interessanteste an seiner multiplen Arbeit, sagt Bogner, sei die Komplexität und das "virtuelle Museum im Kopf", das durch die Verknüpfung mehrerer Projekte entsteht. Derzeit sind auch das Paul-Klee-Zentrum in Bern, das Salzburger Landesmuseum Carolino Augusteum und das Ludwig-Museum in Budapest in Arbeit. Bogner ist außerdem Gründer der Friedrich- und Lillian-Kiesler-Stiftung in Wien. STANDARD: Herr Bogner, wie sehen Sie Ihre Rolle als Museumsplaner?


Bogner: Ich muss die ganzheitliche Sicht behalten: also nicht nur die Inhalte definieren, sondern auch im Sinne der Auftraggeber räumliche, technische, wirtschaftliche und personelle Konsequenzen mitdenken. Ein Museum ist immer das Arbeitsergebnis eines ganzen Projektteams: Wir müssen Bilder im Kopf schaffen. Das Wichtigste dabei ist der Inhalt, und wenn ich sage, Kuratoren und Museumsmacher müssen alle Regeln brechen, dann setze ich voraus: sofern der Inhalt stimmt.

Was mich dabei fasziniert, ist die Tatsache, dass es möglich ist, so komplex zu arbeiten: Ich arbeite derzeit am Kunsthaus Graz, das ist ein Neubau. Das Kiesler-Archiv tourt zu Ausstellungen von Bregenz bis Seoul, und beim Grazer Volkskundemuseum handelt es sich um die Neugestaltung eines Hauses. STANDARD: Das Volkskundemuseum wurde 1913 von Viktor von Geramb gegründet. Er schuf ein Gesamtkunstwerk, in dem Sammlungsobjekte mit der Ausstellungsgestaltung verschmolzen. Sie haben nun der heute von Roswitha Orac-Stippberger betreuten Sammlung ein neues Gesicht gegeben. Welches Verhältnis zwischen Objekt und Gestaltung kennzeichnet die Neuaufstellung?


Bogner: Jede Neuaufstellung ist ein Ausdruck ihrer Zeit. Bei Geramb war alles bemalt - die Kassa, die Vitrinen, die Sockelleisten, die Wände. Also waren die Gegenstände in ihrem - wie er sagt - "zweiten Leben" Exponate in dekorierten Exponaten.

Nehmen Sie an, Sie bauen in 100 Jahren ein Museum des frühen 21. Jahrhunderts und Sie nehmen den Tisch, an dem wir sitzen, und Ihr Aufnahmegerät, und stellen sie dort auf. Hier und heute dienen diese Dinge uns dazu, dass Sie ein Gespräch aufnehmen. Dort und dann informieren Sie Menschen, die andere Tische haben und andere Tonträger, darüber, dass man früher solche Dinge hatte und wie sie funktionierten: Sie erzählen dann die Geschichte dieser Dinge, indem Sie sie in einen neuen Kontext stellen, sonst würden wir sie ja wegschmeißen.

Geramb konstruierte den Objekten eine "heimelige" Atmosphäre, die quasi "ihre Sprache" sprach. Was wir jetzt gemacht haben, ist sozusagen das zweite Leben in einer neuen Wohnung. Oder vielmehr: Die Wohnung wurde umgebaut. Wir haben mit den Architekten von BEHF eine abstrakte, gläserne Architektur geschaffen, in der die Objekte möglichst ungestört zur Geltung kommen sollten und klar in drei existenzielle "Schutzfaktoren" im Leben des Menschen gegliedert sind: "Wohnen - Kleiden - Glauben". STANDARD: Die Ausstellungsgestaltung entspricht sozusagen der heutigen Wahrnehmung. Bogner: Museen wirken langfristig und geben die Gelegenheit, Dinge anders zu sehen, ohne dass man etwas ab- oder ausschlachtet. Heute gehen viele Menschen ins Museum und nehmen das, was präsentiert wird, einfach hin, im Glauben, "so ist es". Das muss man sukzessive brechen. Wahrscheinlich werden sich bis in 20 Jahren die Museen wieder relativieren. Derzeit relativieren wir das Dargestellte etwa mit Monitoren, auf denen die Besucher das Ausstellungskonzept sehen, in dem sie sich befinden. STANDARD: Was sagen Sie als jemand, der das Museumsquartier mitgeplant hat, zum Resultat? Bogner: Nun, meine Grundidee war ein Mix von einigen großen, etlichen mittleren und vielen kleinen Kulturinstitutionen verschiedenster Disziplinen. Ob die miteinander kooperieren, konkurrieren oder sich ignorieren, ist nicht planbar. Momentan aber gibt es eine Menge von zu lange dort kämpfenden Personen, die individuelle Positionskämpfe austragen. Nur: Das gibt sich - hoffentlich nicht erst mit der Pensionierung der Protagonisten. Einfach aus dieser schwierigen Geburt heraus sind Blessuren zurückgeblieben. In Graz entsteht jedenfalls mit den Kunsthaus ein kleinerer, aber was Synergien betrifft ein strukturell ähnlicher Komplex. STANDARD: Halten Sie das Quartier 21 für einen Erfolg? Es scheint jedenfalls weitaus weniger belebt, als angedacht war - ganz im Unterschied zum Inneren des Museumsquartiers, wo man im Winter Eisstockschießen geht und im Sommer die Gastronomie genießt.

Bogner: Als das Ganze ein verwahrlostes Gebiet war und wir die Basis Wien geholt haben, T-Junction oder das Depot, herrschte eine sehr produktive Stimmung. Man soll jetzt nicht ungeheizten Räumlichkeiten nachweinen, aber mir war schon klar, dass in dem Moment, wo das alles geschniegelt und gebügelt ist, der Reiz zunächst einmal weg ist.

Ich habe von Anfang an gesagt, dass es Bereiche geben muss, die einem ständigen Wechsel offen stehen. Mir geht es dabei nicht darum, ob das funktioniert oder nicht, sondern darum, dass man jetzt experimentiert und aus den Fehlern lernt. Momente der Erlebniskultur aber zeigen, dass man es nicht erträgt, dass intellektuelle und kritische zeitgenössische Kulturbetriebe existieren. Es ist zum Beispiel ein Wahnsinn, dass das Depot von den Politikern abgedreht wurde. Man muss sich doch um Gottes Willen die Gebäude für solche freien Institution leisten können. (ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.5.2003)