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Das Baden im Mühlgang, früher Realität, wäre Utopie - gäbe es nicht die Installation von Benni Foerster-Baldenius (stehend), Wolfgang Grillitsch (liegend) und Peter Arlt.

Foto: real utopia/Hedi Lusser

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Grafik: real utopia

Graz - Bei zu viel Lob sollte man skeptisch sein, lehrt die Erfahrung. Eine solche mussten auch Margarethe Makovec und Anton Lederer, die Gründer des Grazer Kunstvereins rotor, machen. Denn sie erhielten im Oktober 2002 von Kunststaatssekretär Franz Morak den Würdigungspreis für grenzüberschreitende Kulturarbeit überreicht: Diese "association for contemporary art" sei, sagte Morak, "eine hervorragende Institution, die sich um die Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa besonders verdient gemacht" habe. Und weil die Institution derart hervorragend ist, ließ Morak gleich einmal die Jahressubvention um ein Drittel kürzen: von 30.000 auf 20.000 Euro, wie die Kunsthistoriker Makovec und Lederer zerknirscht konstatieren.

Die beiden leisten aber in der Tat hervorragende Arbeit. Und konnten im Rahmen von Graz 2003 gleich mehrere Projekte realisieren: In der Belgiergasse 8 präsentieren sie seit Jahresanfang in der Reihe Balkan Konsulat stolz Künstler aus ebendiesem südosteuropäischen Raum (derzeit Istanbul, ab 12. Juli Budapest).

AM Samstag wurde zudem real*utopia eröffnet, eine spektakuläre Ausstellung im öffentlichen Raum, für die Graz-2003-Intendant Wolfgang Lorenz 363.000 Euro zur Verfügung stellte: 15 Künstler oder Gruppen haben "Utopien für reale Orte" entwickelt - konkret für den Bezirk Gries, der es Makovec und Lederer ob seiner Heterogenität wie Internationalität angetan hat.

Die Gegend um den weitläufigen Griesplatz gilt zwar als das Scherben- und Rotlichtviertel von Graz. Aber sie hat ihren besonderen Reiz. Denn da prallen Gegensätze und Kulturen aufeinander: Direkt hinter den beiden Viersternehotels am Kai liegt zum Beispiel ein Stück Balkan mit Lokalen und bunten Geschäften.

Der Bezirk wird gerne gemieden. Zu Unrecht, wie Makovec und Lederer meinen, die sich eben just dort ansiedelten: Sie laden ein, das Viertel zu erkunden - zum Beispiel mit einem speziellen Rad der Belgrader Künstlergruppe Skart, das man sich kostenlos am Infostand (in der nördlichen Ecke des Griesplatzes) ausborgen kann. Aber auch ein Spaziergang macht Sinn: Denn das Geld liegt im wahrsten Sinn des Wortes auf der Straße. Werner Reiterer hat insgesamt 1500 Münzen ausgestreut. Das Blöde ist nur: Er hat sie auch angeklebt. Und man bückt sich daher eher vergeblich nach ihnen.

Gewappnet mit einem hoch informativen Orientierungsplan kommt man nicht nur an der Rösselmühle wie der Synagoge vorbei, sondern auch an den Installationen: Jun Yang, 1975 in China geboren, stellte am Gürtel ein reich verziertes Chinatown-Eingangstor auf. Am Mühlgang wurde ein Bad mit Pritschen und Duschen errichtet. Antal Lakner aus Budapest bewirbt das Projekt Olympische Sommerspiele 2012 in Graz mit Fahnen und Werbetafeln, denn es muss auch eine Vision für die düstere Zeit nach der Kulturhauptstadt geben. Und Constantin Luser ließ am Posthochhaus 268 Lichtpunkte montieren: Täglich von 22 bis 1 Uhr darf jeder Botschaften in die Lichtschreibmaschine tippen, die daraufhin weithin sichtbar in die Nacht strahlen. (DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.5.2003)