Wien - Mit UN-Sicherheitsratsresolution 1483 wurden am Donnerstag die Iraksanktionen aufgehoben - und damit, zynisch gesagt, ein historisches Experiment beendet. Nie zuvor war ein Land so lange unter so strengen Sanktionen der ganzen internationalen Gemeinschaft gestanden. Zum Vergleich: Das UN-Wirtschaftsembargo gegen Südrhodesien (1966-79) wurde von Südafrika effektiv unterlaufen; die UN-Sanktionen gegen Jugoslawien (1992) dauerten "nur" vier Jahre; andere, zum Teil lange und strenge Embargos - Stichwort Kuba - gingen von Einzelstaaten oder Staatengruppen aus.

Mit der Verhängung der umfassenden Sanktionen im August 1990 sollte der Irak gezwungen werden, sich aus dem überfallenen Kuwait zurückzuziehen. Die internationale Gemeinschaft musste den Abzug dann militärisch erzwingen, die Sanktionen wurden nach dem Sieg der Alliierten in der Waffenstillstandsresolution 687 (April 1991) festgeschrieben und ihre Aufhebung an die Erfüllung von Forderungen - unter anderem Abrüstung - geknüpft. Lebensmittel- und Medikamentenimporte waren erlaubt - theoretisch, auf medizinischem Gebiet gab es immer wieder "dual use"-Probleme. Mangels Erdöleinnahmen fehlten aber die Devisen für Einkäufe, die irakischen Guthaben auf der ganzen Welt waren ja gesperrt.

Erst 1996 trug das Regime von Saddam Hussein der fortschreitenden Verelendung der Bevölkerung Rechnung und akzeptierte Resolution 986 (Oil for Food), die von der UNO kontrollierte Ölverkäufe und Warenkäufe erlaubte (wobei etwa die Hälfte der Einnahmen für Reparations- und UNO-Zahlungen und anderes verwendet wurde).

Dem Regime gelang es mit der Zeit vermehrt, von den Ölfirmen illegale Zuschläge auf nicht von der UNO kontrollierte Konten zu erzwingen. Die größten Einnahmen kamen aber durch illegalen Erdölexport zustande, Schmuggel im Golf, in die Türkei, später nach Syrien - was je nach politischer Konvenienz von den USA beanstandet wurde oder nicht. Zeitweise kam rund ein Viertel des türkischen Dieselbedarfs illegal aus dem Irak - wobei die Einnahmen allein dem engeren Kreis von Saddam Hussein zugute kamen.

Dieses Geld wurde vom Regime zum Teil geschickt dazu eingesetzt, die für das Bestehen des Staates nötigen Loyalitäten zu erkaufen, auch wurden Pfründe in Form von Schmuggelmöglichkeiten, quasi-legalisierten Korruptionseinnahmen u.ä. an Funktionäre vergeben.

Effizient waren die Sanktionen in dem Sinn, dass die politische und militärische "Eindämmung" des Irak funktionierte. Das von der UNO deklarierte Ziel wurde jedoch nicht erreicht, ebensowenig das implizite US-Ziel, einen Umsturz herbeizuführen. Im Gegenteil, durch die Stärkung des Verteilungsmonopols - 1991 wurden Rationsmarken für Grundversorgungsgüter eingeführt - wurde das Regime gestärkt, durch die "Bestrafung" von außen - noch dazu nach den großen Aufständen 1991, bei denen die Iraker im Stich gelassen wurden! - eine Solidarisierung mit dem Regime erreicht.

Dazu stand der Überlebenskampf völlig im Vordergrund. Selbst die vorsichtigsten Zahlen für die Gesundheitsfolgen durch Unterernährung und Medikamentenmangel für die irakische Bevölkerung sind dramatisch, wobei zum Hammer der Sanktionen noch der Amboss eines abusiven und gleichgültigen Regimes kam. Den irakischen Mittelstand kann man als nahezu ausgelöscht beschreiben, er wird beim Wiederaufbau fehlen. (DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.5.2003)