Die Zeltproteste gegen den Wohnungswucher, die vor rund zwei Wochen als spontane Aktion auf dem Tel Aviver Rothschild-Boulevard begannen, haben durch eine Art Ultimatum des mächtigen Gewerkschaftschefs Ofer Eini an die israelische Regierung zusätzliches Gewicht bekommen. "Der Staat hat sich plötzlich von einer sozialistischen Politik zu einer extremen Situation bewegt, in der es einen kapitalistischen Markt ohne Eingriffe der Regierung gibt" , wetterte Eini. Wenn es bis Sonntag keine ernsthaften Lösungsvorschläge gebe, dann will der Gewerkschaftsbund die Proteste "auf allen Ebenen" unterstützen.

Premier Benjamin Netanjahu hatte Sofortmaßnahmen angekündigt, die das Wohnungsangebot vergrößern und Mieten und Kaufpreise drücken sollen. So sollen rasch 10.000 zusätzlich Plätze in Studentenheimen geschaffen werden, der Staat soll zügiger und billiger Baugrund freigeben, und Bauunternehmer sollen Anreize bekommen, mehr Kleinwohnungen zu errichten, die billig vermietet werden müssen.

Doch die Protestführer lehnten die Vorschläge als ungenügend und zu unverbindlich ab. Die Zeltstädte weiten sich inzwischen nicht nur in Metropolen wie Tel Aviv, Jerusalem und Haifa aus, auch in kleineren Gemeinden sind Ableger aufgetaucht. Für Donnerstag war in Tel Aviv ein "Kinderwagenmarsch" zum Protest gegen die hohen Kosten der Kindererziehung angekündigt, für Samstag sind Demonstrationen geplant.

Zugleich setzen die Ärzte ihren seit Monaten geführten, von Bummelstreiks begleiteten Kampf für Spitalsreformen fort. An der "Lebensmittelfront" will die Regierung jetzt die hohen Preise der Milchprodukte durch Importe bekämpfen, was die einheimischen Milchproduzenten verärgert. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 29.7.2011)