Harald Fidler vor dem ORF-Zentrum. Den Sumpf davor hat nicht er trockengelegt, im Gegenteil - er würde ihn wieder fluten, schreibt er in seiner Bewerbung.

Foto: STANDARD/Newald

Die Welt des ORF wird sich in den kommenden fünf Jahren stärker verändern als in den vier Jahrzehnten davor. Werden die Weichen in der nächsten Geschäftsführung falsch gestellt, ist die Existenz des Unternehmens in derzeitiger Form gefährdet. Der ORF ...

Ach, sparen wir uns das Herumgerede, Sie und ich wissen ja ohnehin, worum es eigentlich geht.

Liebe Stiftungsrätinnen und -räte, mit Ihrer Erfahrung als Schnittstelle von Politik und ORF sind Sie perfekt geeignet für einen Führungsjob im ORF. Leider gibt es 35 Stiftungsräte, aber nur neun ORF-Landes- und nur vier zentrale Direktoren. Seien Sie versichert, Sie sind meine erste Wahl. Ein Gutachten über Doppelbesetzung von Landesdirektionen, auch im Sinne der von Ihnen gewünschten Geschlechterparität, ist beauftragt.

Wollen Sie nicht Direktor werden? Vielleicht finden sich Möglichkeiten für Beratungsaufträge, bei optischen Bedenken nicht zwingend vom ORF.

Im ORF wiederum könnten ich Ihnen TV- und Radio-Präsenz anbieten - wir haben "Pressestunden", "Konkret", "Sommerzeit", "Journal zu Gast", "Morgenjournal", "Gedanken für den Tag" und vieles Möglichkeiten mehr, auch eigene Sendungen oder Rubriken kann man, wie wir wissen, überlegen.

Liebe Betriebsrätinnen und -räte, wer, wenn nicht Sie ist prädestiniert für einen Führungsjob im ORF? Was gibt es Wichtigeres als das Vertrauen der Mitarbeiter, das Ihnen schon bekundet wurde?

Sie wünschen ...

Für die Fernsehdirektion des ORF, die Programm und Information vereinen soll, wünsche ich mir aber eine Frau aus dem deutschsprachigen Ausland, aus einer öffentlich-rechtlichen Anstalt. Je unvoreingenommener sie (oder er) an die österreichische Politik herangeht, umso mehr kann sie (oder er) sich voll dem Erlernen der Küniglberger Methode zur Quotenmaximierung oder zumindest -rettung widmen. Um die Politik kümmere ich mich gern.

Weil ich auch nur zwei Hände habe, um Telefone zu halten, erwäge ich zur weiteren Entlastung die Wiedereinführung eines ORF-Generalsekretärs. Natürlich würde ich auch da gerne auf erfahrene Kräfte aus dem Stiftungsrat zurückgreifen.

Noch für Anregungen offen bin ich, wer die TV-Kanäle managen soll. Natürlich wären Profis in der Programmplanung hier nicht fehl am Platz. Aber da ich eine wirklich breite Mehrheit für meine Wahl anstrebe, tendiere ich zu einem farbenfroheren Konzept: ein roter Kanalmanager, ein schwarzer, und die Opposition kann sich gerne demokratisch auf einen ORF-3-Chef einigen. Merke: Je nach Zahl meiner Wähler wird diese Formel aber adaptiert.

... wir spielen

Eine ähnlich klare Strategie habe ich für den ORF-Standort, einigen von Ihnen ein wichtiges Anliegen. In Zeiten der Globalisierung wäre es kleinlich, ein so weltläufiges Unternehmen auf einen Standort festzulegen. Ja, wir bleiben im Funkhaus. Ja, wir bleiben auf dem Küniglberg. Ja, wir gehen nach St. Marx. Wäre doch gelacht: Seit Gründung unseres Fernsehens in einem Affenstall von Schönbrunn senden wir hervorragend von so vielen Standorten, fast ohne Unterbrechungen!

Ja, mit unserem Prinzip der Wirtschaftlichkeit verträgt sich das. Für jede Gebührenanpassung wird mir für Sie etwas einfallen. Und: Die SPÖ will, dass uns die Republik auch künftig Gebührenbefreiungen abgilt, ohne dass wir groß auf Werbung verzichten müssten. Mit all dem Geld können wir öffentlichen Auftrag nach unserem Verständnis und von Ihnen vertretene Interessen befriedigen.

Zudem sehe ich in der Information interessante Sparmöglichkeit: weniger Journalisten, weniger Zeit, weniger lästiges Hinterfragen.

Sollten Sie Interesse an der Umsetzung meiner Vorstellungen für den ORF haben, können Sie mich gerne bis 4. August, 12 Uhr, für die Wahl nominieren. Inhaltlich schließe ich mich ganz den Zukunftskonzepten meiner Mitbewerber an, die Sie heute, Freitag, erhalten. Mir geht es ja auch nur um den Job.

Mit besten Grüßen, auf bald, Harald Fidler

(DER STANDARD; Printausgabe, 29.7.2011)