Bild nicht mehr verfügbar.

Beim flächendeckenden Lesetest stellte sich heraus, dass es einem Gutteil der Wiener Kinder an elementaren Lesefähigkeiten mangelt. Im Herbst soll es für sie "Crashkurse" geben.

Foto: APA/Hochmuth

Wien - Über Straßen zu streiten sei ihm lieber als über Schulen, sagte Bürgermeister Michael Häupl (SP), als es zwischen SP und Grünen ernst wurde; tatsächlich war die meilenweite rot-schwarze Entfernung in Bildungsfragen eines der Hauptargumente gegen eine solche Koalition.

Doch im Bund regieren die Schwarzen nun einmal mit - und die Stadt stößt in Bildungsreformfragen immer wieder an ihre Grenzen. Etwa bei den Pädagogen: So sicher wie das Lamento über schlechtes Sommerwetter kam vergangene Woche wieder einmal der Ruf nach mehr qualifiziertem Kindergartenpersonal.

Seit die Betreuung für alle Kinder von null bis sechs in Wien gratis ist, fehlen Pädagogen an allen Ecken und Enden. Die Stadt hat eine zusätzliche Ausbildungsschiene eingerichtet, 2013 könne man beginnen, "die Lücke zu schließen" , sagt Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch (SP). Er hofft gleichzeitig auf "neue Ausbildungsmodelle" - sprich eine akademische Kindergarten-Pädagogen-Ausbildung, die gleichzeitig die Durchlässigkeit verbessert, also ermöglicht, sich etwa zum Volksschullehrer weiterzubilden.

Auch die rund 30 Schulsozialarbeiter, die die Stadt seit dem vergangenen Jahr einsetzt, harren einer Bundesentscheidung: Sie sind derzeit beim Stadtschulrat auf Lehrerposten angestellt, was unter anderem bedeutet, dass sie in den ersten Jahren bloß befristete Einjahresverträge erhalten. An der grundsätzlichen dienstrechtlichen Konstruktion möchte man zwar festhalten, Oxonitsch hofft aber, dass im Zuge einer bundesweiten Reform des Lehrerdienstrechts auch die Schulsozialarbeiter verankert werden. In einer anderen Reformfrage gab es im Bund tatsächlich Bewegung: Die Hürde, wonach nur zehn Prozent aller Schulen pro Bundesland als Neue Mittelschulen (NMS) geführt werden dürfen, ist gefallen; in ihr Koalitionspapier hatten SP und Grüne noch geschrieben, sich "mit Nachdruck" dafür einsetzen zu wollen.

Nun, da es so weit ist, habe sich aber nicht viel geändert, sagt Oxonitsch dem Standard: Er halte nichts davon, einfach "alle Taferln auszutauschen" und Hauptschulen in NMS zu verwandeln. Bei der "Wiener Mittelschule" sollen Gymnasien und Hauptschulen kooperieren. Und das ist nicht ganz einfach durchzusetzen.

Denn zwei Drittel der Lehrer, Schüler und Eltern an einem Standort müssen der Umwandlung in eine NMS zustimmen - auch jene der vierten Klasse Unterstufe, die davon gar nicht mehr betroffen sind. "Da hat man eine sehr hohe Hürden gelegt" , findet der Bildungsstadtrat.

Grundlegende Defizite

Im Wiener Schulsystem gibt es aber auch viel grundlegendere Defizite, die jüngst ein flächendeckender Lesetest zutage förderte: Jeder vierte Zehnjährige und jeder fünfte 14-Jährige hat Schwierigkeiten beim sinnerfassenden Lesen, sieben bis zehn Prozent der getesteten Kinder fehlen die elementarsten Lesefähigkeiten. Für sie soll es im Herbst eine Art "Crashkurs" geben, auch die Lehrer sollen speziell geschult werden. Zu Weihnachten wird wieder überprüft. Und zumindest in dieser Bildungsfrage liegt die Verantwortung einzig und allein bei der Stadtregierung. (Andrea Heigl, DER STANDARD; Printausgabe, 29.7.2011)