Das ökologisch designte Lexikon besteht aus verschiedenen Arten von Recycling-Papieren.

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Auf Feuchtigkeit reagierende Betonoberfläche des Herstellers Solid Poetry. Bei Regen lassen die in den Niederlanden entwickelten Betonsteine besondere Strukturen erkennen.

Foto: Solid Poetry / Birkhäuser Verlag

Plattenmaterial aus alten Handyschalen des englischen Unternehmens Smile Plastics, das sich auf die Herstellung von Polymerstoffen aus Kunststoffschrott wie Flaschen, CDs, Rohre, Gummistiefeln oder Handyschalen spezialisiert hat.

Foto: Smile Plastics / Birkhäuser Verlag

Gebäudeleitsystem unter Verwendung des Reflexbetons BlingCrete, der sich an der TU Kassel gerade in Entwicklung befindet.

Foto: TU Kassel / Birkhäuser Verlag

Sascha Peters ist diplomierter Ingenieur und Designer, arbeitet als Materialconsultant und ist Geschäftsführer von "Haute Innovation - Agentur für Material und Technologie" in Berlin.

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Fliesen aus recyceltem Glas, lichtdurchlässiger Beton, Papier aus organischen Abfällen oder Einweggeschirr aus Kartoffelstärke sind nur einige wenige Materialien, die in Sascha Peters Buch "Materialrevolution" vorgestellt werden.

Beim ersten Hineinblättern wirkt das Lexikon über nachhaltige und multifunktionale Materialien für Design und Architektur etwas chaotisch - eher künstlerisch aufbereitet als überschaubar und geordnet. Doch nach der ersten Orientierung überzeugt man sich schnell vom Gegenteil, zumindest was die vermeintliche Unordnung anbelangt. Es entpuppt sich als interessantes Handbuch für alle, die an Design, Architektur, Kunst und vor allem an Nachhaltigkeit und Multifunktionalität von unterschiedlichsten Materialien interessiert sind.

Ressourcenschonende Alternativen

Längst weiß man, dass viele Ressourcen der Welt zur Neige gehen, viele Rohstoffe nur mehr begrenzt verfügbar sind, wie zum Beispiel Erdöl, dem eine Vielzahl an werkstofflichen Errungenschaften im 20. Jahrhundert zu verdanken ist. Jetzt muss an Alternativen gearbeitet werden, und diese Entwicklungen sind bereits voll im Gange. "Der bevorstehende Innovationssprung im Bereich der Materialien wird aber nicht mehr fokussiert sein auf die Entwicklung neuer Funktionalitäten", schreibt Autor Sascha Peters in der Einleitung, die als eingerückter, aus dünnem Recycling-Papier bestehender Teil des Buches vor dem lexikalischen Teil aus dickerem Papier steht. "Es geht vielmehr um das Hervorbringen von Werkstoffen, die ressourcenschonend und materialeffizient eingesetzt werden können und keine Gefahren für den Menschen darstellen."

Ökologischer Rucksack

Wichtig in diesem Zusammenhang ist das "Denken in Materialkreiskäufen" - die Verwendung umweltverträglicher Materialien mit multifunktionalen Eigenschaften und die Nutzung nachhaltiger Produktionsverfahren werden dabei vorausgesetzt. Ein unentbehrliches Stichwort hierbei ist die Ökobilanz oder der "ökologische Rucksack". Damit soll die Menge aller benötigten Ressourcen bei der Herstellung, dem Gebrauch und der Entsorgung eines Produkts dargestellt werden.

"Typische Werte für den 'Ökologischen Rucksack' von Materialien sind ein Faktor 5 für Polymerwerkstoffe, was bedeutet, dass für die Herstellung von einem Kilogramm Kunststoff rund fünf Kilogramm Ressourcen benötigt werden", so Peters. Demnach kann in Zukunft bei der Erzeugung von Aluminium, das rund 85 Kilogramm Ressourcen verbraucht, oder gar Kupfer, wofür 500 Kilogramm notwendig sind, nicht mehr auf Recycling verzichtet werden. Allerdings gibt es erst für wenige wichtige Werkstoffe gesicherte Daten für die Errechnung der gesamten Energie, die ein Material in seinem gesamten Lebenszyklus tatsächlich verschlingt. Auch die Frage, ob zum Beispiel biobasierte oder bioabbaubare Materialien tatsächlich klimaneutral sind, sei noch nicht abschließend geklärt, so der Autor.

Materialeffizienz und nachhaltige Produktionsverfahren

"Bis wir es mit Materialien zu tun haben, die keine negativen Auswirkungen mehr auf Klima und Umwelt haben, gilt es vor allem, die vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu verwenden und ideal auf den Einsatzzweck auszurichten," schreibt Peters weiter. Also sei die Steigerung der Materialeffizienz derzeit eines der wichtigsten Ziele. Schließlich beleuchtet der Autor auch die Bedeutung von professionellen Kreativen wie Architekten und Designern für technische Innovationsprozesse. Denn sie sind es, die meist entscheiden, ob nachhaltige Materialien zum Einsatz kommen oder nicht.

In dem auf den Einleitungsteil folgenden mit vielen Fotos bebilderten Lexikon kommentiert Peters in acht Kapiteln biobasierte, biologisch abbaubare sowie recycelte Materialien, Leicht-Baumaterialien und Dämmstoffe, formverändernde und multifunktionale Materialien sowie Energie erzeugende und Licht beeinflussende Materialien. Am Schluss stellt der Autor noch einige nachhaltige Produktionsverfahren vor, wie zum Beispiel Laserbearbeitungstechnologien, Wasserstrahlschneiden oder klebefreies Fügen von Holz.

"Materialrevolution" bietet einen systematischen Überblick über die derzeit verfügbaren nachhaltigen Materialien auf dem Markt, und es ist sowohl für die Sinne der optischen als auch haptischen Wahrnehmung eine Freude, in diesem ökologisch designten Lexikon aus verschiedenen Recyclingpapieren zu schmökern. (Jasmin Al-Kattib, derStandard.at, 29.7.2011)