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Ein Vergleich mit dem Basketball zeigt, was die Alexander-Technik kann.

Der Vergleich mit dem Basketball trifft es auf den Kopf, und zwar im ganz wörtlichen Sinne. Die Salzburgerin Daniela Kassaei führt vor, was genau Alexander-Technik bedeutet. "Wir arbeiten halb im Sitzen, halb im Liegen", hat sie zu Beginn der Stunde gesagt. Ein Hocker steht zentral im Raum, am Fenster eine Massageliege. Sie bittet einen, erst einmal Platz zu nehmen, und beobachtet genau, wie dieser so banale Vorgang bewerkstelligt wird. Um Bewusstwerdung automatisierter Bewegungsmuster ginge es, sagt sie, und die Fähigkeit, sie zu verändern - und ganz ehrlich: Was sie tatsächlich meint, ist unklar. Bis sie dann den Satz: "Stellen Sie sich doch einmal vor, Ihr Kopf sei ein Basketball, der gerade auf zwei Handflächen liegend zum Korb geworfen wird?" Der Kopf als Basketballkorb? Komisches Bild zwar, doch trotzdem kommt der Körper dadurch in Bewegung. Der Rumpf richtet sich auf, der Kopf schaut stolz, das Kinn leicht nach unten gebeugt. Saß man eben noch eher bucklig und ob des vollkommen Unbekannten, das kommen würde, in sich zusammengesunken da, so brachte der Gedanke an einen Basketballkorb Veränderung. Es ist eine Demonstration dessen, was Alexander-Technik kann, nämlich Veränderung durch mentale Impulse herbeiführen.

"Schmerzen sind ein Ausdruck des fehlerhaften Gebrauchs unseres Selbst", erklärt Kassaei. Bei vielen sei das von Kindesbeinen an der Fall und führt zu Abnutzungen, sogar Schmerzen. "Wir suchen alternative Haltungen und Bewegungen und versuchen sie, in das ganze System zu integrieren, erklärt sie. Leicht ist das nicht. "Geben Sie den Kopf weiter nach vorn", sagt sie, und berührt mit einer Hand ganz leicht das Schulterblatt. Die dadurch veränderte Körperhaltung fühlt sich falsch an. Das wundert die Alexander-Spezialistin nicht, "die Macht der Gewohnheit ist stark", weiß sie, hat aber schon sehr oft erlebt, wie sich eingefahrene Bewegungsmuster umtrainieren lassen. Eine Stunde Alexander-Technik ist deshalb eine mentale Herausforderung. Immer wieder kommt der Gedanke, "aber was will sie jetzt eigentlich genau von mir?" Aber irgendwann versteht man es, das Prinzip der Aufrichtung, und kann dementsprechend Anweisungen an diverse Muskeln schicken. Es gibt Hilfestellungen, etwa "sich im Raum auszurichten, den Blick aber nicht zu fixieren". Das verändert die Körperdynamik, man wird wacher, aufmerksamer, frischer. Wer chronische Schmerzen hat, lernt, damit anders umzugehen, Positionen zu finden, in denen sich Schmerzfreiheit einstellt. Eine sehr überraschende Beobachtung hat Kassaei auch schon öfter gemacht: "Wer regelmäßig kommt, wird ein bis zwei Zentimeter größer." Kassaei "trainiert" auch das Gehen ihrer Schüler. Sie begleitet sie wie ein Schatten und teilt ihre Beobachtungen mit. "Kippen Sie doch mal das Becken weiter nach vorn." "Wie?" "Genau so, und versuchen Sie das auch zu Hause, beim Abwaschen oder Zähneputzen."

Die Kunst loszulassen

Nach rund 30 Minuten im Sitzen, Stehen und Gehen tut das Liegen gut. Jetzt geht es ums Loslassen. Kassaei hebt das Bein und dreht es. "Konzentrieren Sie sich auf das Hüftgelenk", bittet sie in sanfter Stimme und kreist das Bein, "aber bitte nicht mithelfen", sagt sie nach weiteren 20 Sekunden. Vielen, die zu ihr kommen, fällt das aber besonders schwer, weil sie angespannt sind, ohne es selbst zu bemerken. "Ich hebe den Arm, lasse ihn los, und der fällt nicht runter, und mein Klient denkt, er sei entspannt", erzählt sie. Wobei Entspannung in der Alexander-Technik durchaus nicht unbedingt das Ziel ist, vielmehr geht es darum, "eine für die auszuführende Aktivität angemessene Muskelspannung zu entwickeln."

Alexander-Technik ist eine Aktivität an der Grenze von Körper und Geist und auf eigentümliche Art anstrengend. Neuerfahrung, nennt es Kassaei und weiß, dass durchaus nicht alle Menschen dazu bereit sind. Unlängst auf einer Messe hätte sie die Alexander-Technik einem Mann demonstriert, sie hätte ihm die Hand auf den Rücken gelegt und ihn aufgefordert, sich aufzurichten. "Was genau meinen Sie. Ich spüre gar nichts", hätte er schließlich gefragt. Letztendlich, so Kassaei, gehe es natürlich auch um das Vertrauen zwischen Lehrer und Schüler. Der Mensch lerne manchmal einfach sehr langsam, und deshalb seien Bereitschaft und der Wunsch nach Veränderung sowie das Loslassen-Können auch Teil der Übung. (Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 01.08.2011)