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In Österreich sind 1.421 gewerbliche Pressefotografen registriert.

Foto: Reuters/Bensch

Das Pressefoto des Jahres stammt von Heinz Tesarek und zeigt den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko am Tag der Präsidentenwahl.

Foto: Heinz Tesarek

Fotografie befindet sich im Umbruch, Protagonisten sind verunsichert. "Meine Tochter macht heute mit ihrem Mobiltelefon Fotografien, die vor zehn Jahren wochenlange Arbeit bedeutet hätten", sagt Heinz Tesarek, prämierter Vertreter dieser Zunft. Der freie Fotograf wurde im Juni für das "Pressefoto des Jahres" ausgezeichnet. "Fotografen können vielleicht den Moment einfangen, nicht jedoch die Zeit aufhalten", so Tesarek. Zum Konkurrenzdruck mit nach unten nivellierten Honoraren geselle sich der technische Fortschritt als "größte Gefahr" für den Berufsstand.

Ein technischer Fortschritt, von dem die Masse profitiert. Kameras werden billiger, gefinkelte Software kann bis zu einem gewissen Grad handwerkliches Unvermögen kaschieren. "Fotografen müssen sich umstellen, sie müssen experimentierfreudiger werden", mahnt Regina Anzenberger, Chefin der österreichischen Fotoagentur Anzenberger. Als Beispiel nennt sie die Hipstamatic App. Ein Fotografie-Programm fürs iPhone, das Bilder nach dem Muster von älteren Analogfotografien manipuliert – und gerade einmal 1,59 Euro kostet.

Medien stellen sich um

"Vor kurzem haben wir einen Auftrag für ein renommiertes englisches Magazin mit dem iPhone fotografiert", erzählt Anzenberger im Gespräch derStandard.at. Die Auflösung sei ausreichend. Zwei Fotografen, die sie vertritt, haben ihr Portfolio schon um Handy-Bilder erweitert. "Viele sind zu unflexibel", kritisiert Anzenberger und meint damit nicht die iPhones, sondern die Fotografen. In ihrer Agentur sind deren 300 gelistet. Rund ein Drittel davon sind Österreicher.

Der Markt wird härter, die Töne rauer: "Viele konzentrieren sich mehr aufs Jammern als aufs Arbeiten", moniert etwa Franz Neumayer, Vertreter der Pressefotografen in der Wirtschaftskammer. "Wer es vernünftig macht, hat nach wie vor gute Chancen", rät er seinen Kollegen zu Geduld. "Kontakte aufbauen, Beziehungen pflegen", das sei ein kontinuierlicher Prozess. Gleichzeitig räumt er aber ein, dass sich die gesamte Branche unter Druck befinde. Eine Folge der Transformation. Die erlebt er am eigenen Leibe. Neumayr ist seit 25 Jahren als selbstständiger Fotograf tätig. "In dieser Zeit ist der Markt zu einem Massenmarkt geworden", resümiert er gegenüber derStandard.at. Die simple Formel: "Mehr Pressefotografen bedeuten mehr Bilder."

Mehr Bilder, geringere Honoare

Die rasante Entwicklung in Richtung Massenmarkt habe zwei Seiten. "Einerseits sind die Honorare in den vergangenen 20 Jahren massiv gesunken, andererseits werden viel mehr Bilder gedruckt." Neumayr will auch das Positive der Bilderflut vor Augen führen. Neue Magazine sind entstanden, die Tageszeitungen werden immer fotolastiger, Medien wie das Internet sind dazugekommen. Nicht unbedingt zum Segen für alle.

Tage wurden zu Sekunden

Mikrostock-Bildagenturen wie iStock, Fotolia oder Pixelio verkaufen Bilder zu einem Spottpreis, zum Teil gibt es sie sogar gratis. Zur Freude von Medien, zulasten von Fotografen. "Wie soll da ein Wien-Fotograf mithalten können?", fragt Neumayr, "wenn es bei den Bildagenturen Wien-Sujets um ein paar Euro gibt." Vor allem Ältere blieben im Zuge der Digitalisierung auf der Strecke. "Früher brauchte es noch technisches Know-How." Ein eigenes Labor, sündteure Bildübertragungsmaschinen gehörten zum Standardrepertoire. Nicht der beste, sondern der schnellste Fotograf habe das Rennen gemacht. "Das erste Foto, das bei einer Zeitung ankam, wurde meist gedruckt." Tage sind zu Sekunden geschrumpft: "Heute kann ich ein Foto von jedem Platz zu jedem Platz in Echtzeit übermitteln."

Buntere Magazinlandschaft in Deutschland

Von einer "McDonaldisierung" des Pressemarktes spricht auch der österreichische Fotograf Peter Rigaud, bekannt für seine Porträt- und Reportagefotos. "Ich versuche als Feinkostladen zu überleben." Punkten könne er nur mit Qualität. Und die werde teilweise noch honoriert. Vor allem in Deutschland, wo Bildjournalisten noch auf Reisen für Reportageserien geschickt werden: "Mehrere Wochen, mehrere Länder." Rigaud ist seit 15 Jahren im Geschäft, er pendelt zwischen Wien und Berlin. Auch er bestätigt, dass sich die Preisspirale in den vergangenen Jahren stark nach unten bewegt habe, wie er im Gespräch mit derStandard.at berichtet. In Deutschland könne dies durch die Masse an Magazinen zum Teil noch kompensiert werden, in Österreich sehe die Situation trister aus. "Die goldene Zeit der Pressefotografie ist definitiv vorbei." Schon länger.

Fixe Anstellungen als Ausnahme

"So gut wie vorbei sind auch die Zeiten, wo man nur für ein Medium gearbeitet hat", sagt Rigaud, der allerdings seine Freiheit als selbstständiger Fotograf nicht missen möchte. "Ich genieße es, mal für die 'New York Times' zu arbeiten und dann wieder für ein politisches Magazin." Zu seinen Anfängen sei die Presselandschaft noch ziemlich überschaubar gewesen. Heute existierten viele Nischen und Spezialgebiete, die von Magazinen bedient werden. Wichtig sei es, den Stellenwert der Fotografie als eigenständiges Medium darzustellen: "Bilder entfalten eine unglaubliche Wirkung."

Was schön ist, nämlich sich die Auftraggeber aussuchen zu können, kann genauso gut in einer Riesentragödie enden: Berufsunfähigkeit aufgrund von Verletzungen oder Krankheiten. Auch wenn sie nur temporär ist, die Existenz gefährden kann sie allemal. Eine komplette Absicherung gibt es nicht. Zusatzversicherungen sind im Falle von Kriegsberichterstattung sündteuer. Einen umfassenden Schutz bieten sie ohnehin nicht.

Im Einsatz verletzt, vom Medium fallen gelassen

Wie es ist, als selbstständiger Fotograf verletzt zu werden, davon kann Heinz Tesarek ein Lied singen. Der "Objektiv"-Preisträger war im Auftrag von "News", seinem langjährigen Arbeitgeber, bei der Präsidentenwahl in Weißrussland. Ein Einsatz, den er teuer bezahlen musste. Am Ende stand nicht nur das "Pressefoto des Jahres", die Kehrseite der Medaille war eine Verletzung.

Tesarek wurde beim Fotografieren von weißrussischen Sonderpolizisten so schwer an der Hand verletzt, dass er drei Monate außer Gefecht war. Die Konsequenz: Keine Aufträge mehr von "News". "Ich war irritiert von der Unbeschwertheit, mit der der Verlag die Zusammenarbeit mit mir eingestellt hat", meint er im Interview mit derStandard.at. Sind Verletzungen ein unkalkulierbares Berufsrisiko? Ja, so der Fotograf, denn: "Man kann – und sei man noch so vorsichtig – nie ausschließen, dass einem dasselbe widerfährt wie den Menschen, über die man berichtet."

Kritik an der "Gratismentalität"

Der österreichische Magazinmarkt ist klein, die Nachfrage nach "richtigen Fotoreportagen" nicht gerade groß. Gefragter seien "gestellte Bilder, arrangierte Klischees und digital geschönte Fantasiewelten", räsoniert Tesarek. Der Überfluss an visuellen Reizen lasse den Wert von guten Bildern sinken. Ein Wert, den auch Peter Rigaud in manchen Bereichen vermisst. Er kritisiert die "Gratismentalität", die vor allem in Österreich sehr ausgeprägt sei. Eine "Unverfrorenheit". Zum Beispiel was die Nutzung von Fotos anbelangt. Rigaud erzählt von Anfragen über den Abdruck von zum Teil hochexklusiven Porträts. "Gratis bei Nennung des Fotografen." Nach dem Motto: "Es kostet eh nichts." Die unverschämten Wünsche kämen auch von Verlagen, die es sich eigentlich leisten könnten, für ein Foto zu zahlen: "Man will etwas gratis aus dem Feinkostladen, indem man nur sagt, dass es dort gekauft wurde." Das sei aber nicht nur ein Spezifikum der Fotografenbranche, sondern ein "grundsätzliches Einstellungsproblem gegenüber freien Journalisten".

Angebot und Nachfrage bestimmen nun einmal den Markt. Und es wird immer welche geben, die den Preis unterbieten. Bei freien Pressefotografen beträgt die minimale Honorarempfehlung für Fotos, die in Zeitungen gedruckt werden 40,15 Euro. Normalerweise sind aber ganz andere Summen im Spiel, wie Franz Neumayr, Vertreter der Pressefotografen, erläutert: "Manche Verlage speisen Fotografen mit Tagessätzen von 200 Euro ab, gute Fotografen kosten aber immer ab 1.000 Euro aufwärts pro Tag."

Deutschland sorgt für Aufwind

Die Print- und Werbekrise, inklusive leichter Konsolidierung, findet natürlich auch in der Fotografie ihren Niederschlag. "Der Markt ist im Jahr 2009 zusammengebrochen, jetzt spüren wir wieder leichten Aufwind." Nachdem die Honorare zum Teil um zwei Drittel in den Keller rasselten, blickt Regina Anzenberger optimistisch in die Zukunft. Vor allem wenn der Blick in Richtung Deutschland und nach Übersee fällt. Magazine investieren wieder, die Auflagen der Blätter steigen. Zum Beispiel in den USA. Das "Time Magazine" habe fixe Fotografen eingestellt. Ihre Prognose: "Da die Trends ja immer von den USA nach Europa kommen, besteht Hoffnung für den Zeitschriften- und den Fotografiemarkt." Für Österreich kann sie noch keinen Aufschwung konstatieren: "Das Geld fehlt."

Anzenberger setzt auf ein "neues Qualitätsbewusstsein", das sich breit mache. "Die digitale Bilderflut bietet Profis die Chance, mit Qualität und Service zu überzeugen." Der Unterschied zwischen guten und schlechten Bildern werde sofort evident.

Online keine Chance

Dass das Internet zu einer Erlösquelle für Fotografen avancieren kann, wird allgemein bezweifelt. Verlage experimentieren erst seit kurzem mit Paid Content. Der Erfolg dieser Modelle steht noch in den Sternen. Werden User für das Anschauen von Fotos bezahlen? Etwa auf Blogs? "Nein", ist sich Peter Rigaud sicher. Das würde nicht funktionieren. (Oliver Mark, derStandard.at, 2.8.2011)