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"Hin und wieder macht man halt die Klappen zu und setzt den Tunnelblick auf."

Foto: Reuters/Kujundzic

Standard: Wie schwierig ist es, einen Schlussstrich zu ziehen? War die fehlende Konkurrenzfähigkeit das ausschlaggebende Argument?

Koubek: Es wurde immer einfacher zu sagen, so, das war es. Ich habe zu Saisonbeginn derart viel Punkte verloren, bin aus den Top 200 gefallen. Da wusste ich: Noch einmal reinbeißen geht nicht, das schaffst du nicht, dein Körper und dein Geist halten das nicht aus. Ich wollte und konnte nicht.

Standard: Fürchten Sie einen Pensionschock, eine Leere?

Koubek: Ich bin entspannt, obwohl ich keine konkreten Angebote habe. Ich werde noch ein bisserl Staatsliga spielen, aber das ist nur Spaß, keine Lebensaufgabe. Ob ich in ein Loch falle, weiß ich nicht. Ich habe von Spielern gehört, dass sie nach dem Rücktritt blöd auf der Couch gesessen sind und nicht in der Lage waren, den Tag zu füllen. Ich hoffe, dass es bei mir nicht so schlimm wird.

Standard: Eine Alternative wäre: Party, schlemmen, saufen. Sogar Thomas Muster hat sein Gewicht kurzfristig fast verdoppelt.

Koubek: Ich bin kein Partytiger, trinke nichts, solche Phasen habe ich schon hinter mir. Ich freue mich auf eine eigene Familie, das ist eine große Aufgabe und die wahre Verantwortung.

Standard: Was bleibt vom Koubek?

Koubek: Die Karriere, die ich gehabt habe, bleibt. Wie lange sich die Leute daran erinnern, kann ich nicht beurteilen.

Standard: Wurden Sie Ihren eigenen Ansprüchen gerecht?

Koubek: Als Kind wollte ich Top 100 werden, ich schaffte es bis auf Platz 20. Den Kindheitstraum habe ich also mehr als erfüllt.

Standard: Haben Sie Tennis eigentlich geliebt?

Koubek: Die Liebe habe ich erst lernen müssen. Am Anfang habe ich gedacht, wenn ich einmal aufhöre, vergrabe ich die Schläger und greife sie nie wieder an. Jetzt möchte ich immer wieder auf dem Tennisplatz stehen. Mit Freunden. Zur Gaudi. Man darf nicht vergessen, dass es viel Arbeit ist. Niemand geht gerne jeden Tag ins Büro. Ich weiß erst jetzt zu schätzen, was ich erleben durfte. Ich habe die Welt mehrmals umrundet, sogar in Australien warten Leute auf mich. Freunde, Bekannte, die ich jederzeit besuchen kann. Sie würden sich freuen.

Standard: Spitzensportler müssen Egoisten, fast Schweine sein, heißt es. Waren Sie nur ein Ferkel?

Koubek: Vielleicht. Man hat mir nachgesagt, dass auch ich arrogant war. Hin und wieder macht man halt die Klappen zu und setzt den Tunnelblick auf. Man kann nicht jeden glücklich machen. Vor allem in Zeiten des Erfolges. Da ist es schwierig, Leute richtig einzuschätzen. Wer ist Schulterklopfer? Wer ist aufrichtig?

Standard: Der Name Muster hat Ihre Karriere verfolgt. Sie mussten sich mit ihm vergleichen lassen. Waren seine Erfolge Ansporn oder eher Hemmschuh?

Koubek: Beides. Dieser Vorgabe konnte man nicht gerecht werden, er war die Ausnahme, das war eigentlich nicht normal.

Standard: Haben Sie finanziell ausgesorgt?

Koubek: Nein. Jeder kann nachschauen, dass ich 3,4 Millionen Dollar Preisgeld verdient habe, in zehn bis 15 Jahren. 30 Prozent sind Steuern, die siehst du nicht, die werden von den Turnieren abgezogen. Dann zahlst du daheim Steuern. Pro Jahr belaufen sich die Ausgaben auf 100.000 Euro. Trainer, Betreuer, Spesen. Du musst ja auch wo leben, bei mir war es eine Wohnung in Wien. Aber ich beklage mich nicht. Ich kann keine Luftschlösser bauen. Blödsinn. Luftschlösser kann ja jeder bauen. Ein richtiges Schloss geht sich nicht aus. Ein Reihenhaus ist abbezahlt, ein paar Reserven habe ich. Aber ich muss und will noch arbeiten.

Standard: Was werden Sie vermissen?

Koubek: Die Spannung, den Wettkampfkick, die Erfolgserlebnisse. Hast du im Daviscup den letzten Punkt gemacht, schultern dich die Kollegen. Künftig wird mich niemand vom Platz tragen.

Standard: Sie sind gut befreundet mit Roger Federer. Was zeichnet diesen Mann aus?

Koubek: Er ist, wie er sich gibt, da ist keine Fassade. Er ist extrem freundlich, hat Respekt vor jedem. Er spielt unglaubliches Tennis. Roger ist der Beweis, dass ein Spitzensportler kein Schwein sein muss. Er ist ein Weltstar, dann fährst zu ihm, er sitzt ganz normal auf dem Boden und spielt mit seinen Zwillingen. Ich kann ihn häkeln. Er ist nur erfolgreicher und hat ein bisserl mehr Geld.

Standard: Hat Federer Ihnen die Augen geöffnet?

Koubek: Roger hat mir bei jedem gemeinsamen Training Realismus beigebracht. Zur Liga der Top Ten gehörte ich nie. Ich war talentiert, aber das sind viele. Vielleicht hätten es fünf statt drei Turniersiege werden können.

Standard: Ist Jürgen Melzer besser als Koubek?

Koubek: Natürlich.

Standard: Sie schafften es nie in die Klatschspalten. Wie bekannt oder populär waren oder sind Sie?

Koubek: Das hängt davon ab, ob man am Tag davor im Fernsehen war. In der Wiener Innenstadt reicht nicht einmal das, da sind viele Touristen unterwegs. Kein Japaner kennt den Koubek. Aber im Baumarkt merkt man schon, dass die Leute schauen. Ist er es, oder ist er es nicht? Aber ich wurde immer respektvoll erkannt.

Standard: Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Koubek: Irgendwo im Tennis. Und als Vater, der gerne zum Elternsprechtag geht. (DER STANDARD PRINTAUSGABE 29.7. 2011)