Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.

Foto: DER STANDARD/Christian Fischer

Standard: Frau Innenminister, wann haben Sie zuletzt ein Suchtmittel konsumiert?

Mikl-Leitner: Noch nie.

Standard: Keine Zigaretten, keinen Alkohol?

Mikl-Leitner: Ab und zu einmal eine Zigarette bei Festen.

Standard: Laut Drogenbericht des Gesundheitsministeriums gab es zuletzt 187 Drogentote, die Todesfälle durch Alkohol und Nikotin sind aber weit höher. Warum werden illegale Suchtmittel so rigoros verfolgt?

Mikl-Leitner: Das eine schließt das andere nicht aus - jeder Drogen- und jeder Alkoholtote ist einer zu viel. Daher gilt es, Maßnahmen zu setzen.

Standard: Welche?

Mikl-Leitner: Ganz entscheidend ist, den Kindern ein großes Selbstwertgefühl zu geben. Das ist die beste Prävention.

Standard: Sie haben aber unlängst auch gesagt, erwischte junge Erstkonsumenten illegaler Drogen sollten bis zum Beginn des Strafverfahrens "enger betreut" werden. Was bedeutet das?

Mikl-Leitner: Es geht mir darum, junge Menschen, die Suchtgift genommen haben, intensiv zu betreuen, um sie nicht weiter in Teufels Küche kommen zu lassen. Im Herbst wollen wir ein Maßnahmenpaket präsentieren.

Standard: Wie will die Polizei denn Drogenkonsumenten betreuen?

Mikl-Leitner: Da wird es eine enge Zusammenarbeit mit dem Justiz- und dem Gesundheitsministerium geben. Aber auch der Kontakt mit den Schulen wird dabei beispielsweise sehr wichtig werden.

Standard: Die Polizei hat jetzt schon viel Arbeit mit illegalen Drogen. Es gab laut Suchtmittelbericht ihres Ministeriums im Vorjahr knapp 24. 000 Anzeigen.

Mikl-Leitner: Das ist ein Anstieg um fast fünf Prozent im Vergleich zu 2009. Und da Drogendelikte Kontrolldelikte sind, ist das der Beweis, dass die Polizei aktiv einschreitet.

Standard: Laut diesem Bericht haben 85 Prozent der Anzeigen Vergehen betroffen und nur 2112 Verbrechen. Und von allen Anzeigen betreffen mehr als die Hälfte Cannabis. Offensichtlich wird die organisierte Kriminalität nur selten getroffen, sondern Menschen, die einen Joint rauchen.

Mikl-Leitner: Wir müssen gegen beides vorgehen. Auf der einen Seite gegen den Konsum, auf der anderen Seite gegen die Drogenkriminalität. Dabei müssen vor allem der Ameisenhandel auf der Straße und die Strukturen dahinter bekämpft werden. Die Kontrollen auf der Straße sind wichtig, um das subjektive Sicherheitsgefühl zu stärken. Es kann nicht sein, dass unsere Kinder zusehen müssen, wie gedealt wird.

Standard: Wird nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen? Die überwiegende Mehrheit der Anzeigen betrifft offenbar minderschwere Delikte, da nur ein Bruchteil vor Gericht kommt?

Mikl-Leitner: Wir können ja bitte nicht so lange warten, bis jeder vor Gericht steht! Wir müssen im Vorfeld einschreiten und nicht erst die Situation eskalieren lassen. Wir müssen so früh wie möglich zeigen, dass diese Dinge verboten und gefährlich sind.

Standard: Laut mehreren aktuellen Umfragen haben zwischen 15 und 25 Prozent der heimischen jungen Menschen zumindest schon einmal in ihrem Leben Cannabis geraucht.

Mikl-Leitner: Wir sehen das auch in unserem Suchtmittelbericht, dass sich die Anzahl der erwischten Einsteiger innerhalb eines Jahres fast verdoppelt hat. Um diese Zielgruppe geht es mir. Da muss man präventiv ansetzen, das Bundeskriminalamt arbeitet gerade an einem Paket, das im Herbst präsentiert wird.

Standard: Im Drogenbericht des Gesundheitsministeriums steht allerdings, dass die Ausstiegsrate bei Cannabis rund 80 Prozent beträgt, bei Nikotin sind es 38, bei Alkohol zehn Prozent. Cannabiskonsum scheint eine Episode zu sein - man raucht und hört irgendwann wieder auf.

Mikl-Leitner: Was aber nicht bedeutet, dass man Cannabis legalisieren muss. Und wenn nur 80 Prozent aufhören, sind noch immer 20 Prozent gefährdet, die dann in die Falle tappen. Deshalb darf man das nicht verharmlosen.

Standard: Ein Salzburger Professor, der eine eher repressivere Drogenpolitik befürwortet, argumentiert, man sollte Drogendelikte vom Straf- ins Verwaltungsrecht übersiedeln. Für einen jugendlichen Jointraucher wäre ein Strafmandat, das ihm ein Polizist ausstellt, eine deutlichere Folge als eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft, die zwei Monate später eingestellt wird. Eine Idee, mit der Sie sich anfreunden könnten?

Mikl-Leitner: Das halte ich für etwas überzogen.

Standard: Andere argumentieren, dass die gegenwärtige Drogenpolitik gescheitert ist. Immer mehr Menschen haben Erfahrung mit illegalen Drogen, obwohl der Staat immense Mittel bei Polizei und Justiz einsetzt. Trotz vieler Festnahmen sind die Preise für Heroin in Wien sogar gesunken - es muss also mehr auf dem Markt sein.

Mikl-Leitner: Ich würde das anders sehen. Drogenhändler reagieren auf polizeiliche Aktionen sehr schnell und verändern die Strategien. Das wiederum fordert uns, schneller zu reagieren. Ich bin sehr optimistisch, es gibt auch sehr viele EU-Projekte bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität. Wir haben auch mit den USA vereinbart, die Zusammenarbeit zu intensivieren.

Standard: Dennoch - die Zahl der Erstkonsumenten steigt, wie Sie erwähnt haben, die Drogen werden billiger. Ist das kein Beleg, dass die Ziele, die man in den vergangenen 30 Jahren hatte, verfehlt wurden?

Mikl-Leitner: Wir könnten es uns ja einfach machen und sagen, wir verschließen die Augen. Wir schauen aber bewusst hin. Und dadurch steigen auch die Anzeigen - das soll uns nicht abschrecken, weiter konsequent gegen Drogenkriminalität vorzugehen. Wir haben nichts davon, die Statistiken zu schönen und zu sagen, dass alles funktioniert hat. Wir wollen es ja sichtbar machen und zeigen, dass es ein Problem gibt. Und hier kommt man wieder zur Prävention, speziell im familiären Bereich.

Standard: Stellt sich die Frage, was eigentlich das Ziel der Drogenpolitik ist?

Mikl-Leitner: Mein Ziel wäre, verstärkt Drogennetzwerke zu zerschlagen, um den Suchtgifthandel nachhaltig zu verringern.

Standard: Einen Schritt weitergehend - ist eine drogenfreie Gesellschaft das Ziel? Eine Gesellschaft mit möglichst wenig Drogen?

Mikl-Leitner: Ja, und die Polizei unternimmt alles, um die Drogenkriminalität zu bekämpfen. Alles, was ins Extreme führt, ist schlecht. Aber das soll bitte nicht heißen, dass man nicht gemütlich ein Glas Wein trinken oder sich eine Zigarre schmecken lassen kann. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 30./31. Juli 2011)